EU-Gipfel: Nur kurze Freude über Ukrainebeschluss
DW
Nach der historischen Ukraine-Entscheidung scheint die Schubkraft der europäischen Regierungschefs erschöpft. Die Beratungen über die Energiesicherheit und den Preisanstieg machen die unterschiedlichen Ansätze deutlich.
So ganz war die EU mit der Selbstfeier auch am Freitag noch nicht fertig, doch die Tagesordnung erforderte weitere Gespräche. Bundeskanzler Olaf Scholz nannte die Verleihung des Kandidatenstatus an die Ukraine eine "starke Botschaft". Die EU sei ein Vorbild, eine Gemeinschaft - wo sich Staaten treffen, weil sie Interessen und Werte teilten. Sein Kollege, Luxemburgs Ministerpräsident Xavier Bettel, lobte die "sehr starke moralische Unterstützung, die wir damit der Ukraine schicken", wenn auch noch eine Menge Hausaufgaben zu machen seien. Und der belgische Ministerpräsident Alexander Croo mahnte, man stehe mit der Ukraine "am Anfang des Anfangs". Diese sei noch über 10 Jahre von der EU entfernt.
In einem Interview mit der DW betonte dagegen der litauische Präsident Gitanas Nauseda die Bedeutung dieses Signals für die Ukraine. "Sie kämpfen für Europa", und deshalb verdienten sie auch eine klare Perspektive für die EU. Er wundert sich am meisten über den Sinneswandel bei seinen Kollegen: "Noch vor ein paar Monaten hatten wir hier wirklich harte Diskussionen über die Notwendigkeit des Kandidatenstatus für die Ukraine". Aber seitdem habe es "revolutionäre Veränderungen in einigen großen EU-Ländern" gegeben.
Natürlich müsse zuerst der Krieg gewonnen und die Gebiete zurückgeholt werden. Was ihn aber optimistisch stimme sei, dass er sehe wie engagiert die Menschen in der Ukraine sind. Bei seinen Besuchen sehe er zerstörte Häuser auf der einen und den Willen zum Wiederaufbau auf der anderen Seite und dass über die Hilfe zum Wiederaufbau durch die EU gesprochen werde.
Alle EU-Mitglieder beobachten die wirtschaftliche Entwicklung mit Sorge. Und der lettische Premier Arturs Karins erinnerte einmal mehr an den Urheber: "Wir leiden wirtschaftlich wegen Russlands Krieg" und man dürfe nicht vergessen, dass es Russland sei, "das dieses Leid verursacht". Darüber aber, wie man die Folgen, etwa den Preisanstieg bei Gas und Öl abmildern könne, scheinen die Meinungen weit auseinander zu gehen. Der italienische Premier Mario Draghi hatte eine Kappung der Preise ins Spiel gebracht, fand aber dafür wenig Unterstützung. Am Wochenende wollen sich die G7-Gruppe der führenden Industrienationen bei ihrem Gipfeltreffen in Bayern noch einmal mit dem Thema einer Preisdeckelung beim Öl befassen. So etwas "funktioniert nur, wenn alle Länder zusammen arbeiten", fügte der gastgebende Bundeskanzler an.
Abgesehen davon konnten sich die Regierungschefs auch auf gemeinsame Einkäufe fossiler Energie nicht einigen. Das funktioniere auf freiwilliger Basis unter Nachbarn, erklärte Olaf Scholz. Er lobte allerdings die Fortschritte beim Ausbau einer gemeinsamen Energie-Infrastruktur in der EU, neue Pipelines würden in Griechenland, Kroatien oder von Italien nach Nordafrika gebaut.