Eskalation in der Einbauküche
Süddeutsche Zeitung
Püppchensex: "Fräulein Julie" am Deutschen Theater Berlin.
Wenn Timofej Kuljabin wirklich "einer der derzeit aufregendsten Regisseure Russlands" ist, wie das Deutsche Theater Berlin mitteilt, muss man sich möglicherweise Sorgen um das russische Theater machen. Kuljabin macht in den Kammerspielen des Deutschen Theaters aus Strindbergs "Fräulein Julie" eine emotional überdrehte Affären-Zimmerschlacht. Wobei sich die dampfenden Erregungszustände in der Oberflächeninszenierung vor allem in Lautstärke und wildem Gestikulieren äußern. Wenn die junge Adlige Julie ihren proletarischen Diener Jean verführt, um sich von Ennui und Sinnlosigkeitsgefühlen zu befreien, multipliziert Strindberg Klassengegensätze mit einer überhitzten, destruktiven Sexualität. Im Vokabular heutiger Identitätspolitik könnte man sagen, er verdreht die Fronten der Diskriminierung, wenn die Frau dank Statusüberlegenheit Sexualität als Waffe einsetzt. Das war bei der Uraufführung 1892 ein Schock, der das Stück zu einem immer noch explosiven Klassiker des modernen Theaters macht.More Related News