
"Erst stand Putin unter Schock, dann der Westen"
n-tv
Russlands Krieg gegen die Ukraine sei an einem Punkt, "an dem die industrielle Kapazität über Sieg oder Niederlage entscheidet", sagt der dänische Militärexperte Anders Puck Nielsen im Interview mit ntv.de. "Wenn der Westen sich dazu entschließt, die Ukraine zu unterstützen, dann scheint mir ziemlich klar zu sein, dass Russland diesen Zermürbungs- und Produktionswettbewerb auf lange Sicht verlieren wird." Das Problem sei, dass aktuell der politische Wille fehle - sogar in den USA. Auch Deutschland halte sich "bei der Lieferung von Offensivfähigkeiten, die es der Ukraine ermöglichen würden, den Krieg zu beenden, noch immer zurück". Dennoch sieht Nielsen Grund für vorsichtigen Optimismus.
ntv.de: Sie haben kürzlich darauf hingewiesen, dass der Krieg zwischen der Hamas und Israel derzeit deutlich mehr Aufmerksamkeit bekommt als der russische Krieg gegen die Ukraine. Gilt das noch?
Anders Puck Nielsen: Ja, ich denke, das ist definitiv der Fall. Die Situation in Gaza bekommt immer noch viel mehr Aufmerksamkeit als die Ukraine. Ich merke es auch ganz persönlich: Seit Anfang Oktober bekomme ich kaum noch Anfragen wegen der Ukraine. Journalisten sind hauptsächlich an Kommentaren zu den Ereignissen in Gaza interessiert. Das gilt auch weiterhin.
Ist es nicht nachvollziehbar, dass Medien und Öffentlichkeit sich stärker für einen Krieg interessieren, der neu ist?

Es begann doch recht friedlich, gestern im Oval Office. Warum die Eskalation? Trump brauchte sie, um die Amerikaner auf seine Seite zu ziehen, sagt Politologe Thomas Jäger. Denn die große Mehrheit will der Ukraine weiter helfen. Darum solle Präsident Wolodymyr Selenskyj dazu gebracht werden, dass er kapituliert.

Was passiert, falls die USA die Unterstützung der Ukraine sofort kappen? Nichts scheint mehr sicher nach dem Disput zwischen US-Präsident Donald Trump und seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj. Oberst Reisner sieht in dem Fall schwarz. Nicht nur für die Ukraine, sondern für ganz Europa.

"Es war idiotisch, sich vor laufenden Kameras mit Trump zu streiten", sagt ein Oppositionspolitiker in Kiew. Insgesamt überwiegt allerdings die Solidarität mit Präsident Selenskyj. "Das Wichtigste für einen Präsidenten ist, den Respekt seines Volkes nicht zu verlieren", schreibt ein sonst eher Selenskyj-kritisches Medium.

In den USA wird derzeit vieles infrage gestellt, was seit dem Ende des 19. Jahrhunderts als selbstverständlich galt. Präsident Donald Trump und seine Regierung fordern die Gewaltenteilung heraus, wollen unter anderem die Behörden nach ihrem Gusto umkrempeln und die Macht aufs Weiße Haus konzentrieren. Verfolgen sie diesen Weg konsequent weiter, sieht der Politikwissenschaftler Kenneth Lowande die Demokratie enden. Selbst wenn das nicht geschieht - das politische System werde nie wieder so sein wie vorher, meint er.

Binnen Wochen hat Donald Trump das US-Versprechen, die Ukraine zu unterstützen, komplett abgeräumt. Die Ukraine zählt nicht mehr, nur noch Kosten und Nutzen. Europa verlässt sich auf das US-Versprechen, es im Ernstfall mit Atomwaffen zu beschützen. Ist das langsam naiv? Trumps Regierung ließe Zweifel aufkommen, ob sie die Europäer im Krisenfall stützen würde, sagt Nuklear-Experte Liviu Horovitz von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

Aus dem Kanzleramt heißt es immer wieder: Es gibt keinen Anlass für eine engere Einbindung von CDU-Chef und Wahlsieger Friedrich Merz in aktuelle Regierungsgeschäfte - zumindest bis jetzt. Nach der Eskalation zwischen Trump und Selenskyj scheint Scholz seine Meinung geändert zu haben. Er greift zum Hörer.