Erdogan: Warum immer mehr Ärzt:innen die Türkei verlassen wollen
Frankfurter Rundschau
In der Türkei verstärken sich durch die Corona-Pandemie die Probleme des Gesundheitswesen. Angriffe auf Gesundheitspersonal stiegen stark an. Die türkische Regierung sieht jedoch einen anderen Grund.
Ankara - Die Türkei leidet unter einer starken Wirtschaftskrise, die sich durch eine hohe Inflation zeigt. Expert:innen gehen davon aus, dass dies mit der Finanzpolitik des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan (AKP) zusammenhänge, der sich seit Monaten gegen jeden Rat von Fachleuten weigert, Zinsen zu erhöhen.
Auch im Gesundheitssektor der Türkei soll es starke Probleme geben, wie unter anderem auch die Ärzte Zeitung und Spiegel Online berichten. Demnach sei die Belastung von Ärzt:innen und Gesundheitspersonal während der Corona-Pandemie stark gestiegen. Kritik kam auch an Erdogans Umgang mit der Corona-Pandemie auf: Erdogan wird vorgeworfen, zu früh gelockert zu haben, was ein Anstieg der Infektionszahlen zur Folge gehabt habe. Erdogan soll außerdem stark gegen kritische Ärzt:innen, Gesundheitspersonal und Journalist:innen vorgehen, die seine Öffnungspolitik kritisieren oder die offiziellen Infektionszahlen der Regierung als beschönigt infrage stellen, wie Eurotopics berichtet.
Die Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen hätten sich, wie in anderen Bereichen auch, deutlich verschlechtert, erklärte Vedat Bulut, Generalsekretär der Türkischen Ärztevereinigung, gegenüber der dpa. Deshalb fanden in den vergangenen Monaten auch mehrere Streiks des Gesundheitssektors statt.
Ein weiteres Problem: Gewalt gegen Ärztinnen und Ärzte und Gesundheitspersonal habe während der Pandemie stark zugenommen. Der türkischen Gewerkschaft Saglik-Sen zufolge seien im vergangenen Jahr 1400 Mitarbeiter:innen des Gesundheitspersonals angegriffen worden. Alleine im Januar 2022 seien demnach 197 Ärztinnen und Ärzte angegriffen worden. Aus diesen Gründen würden Ärztinnen und Ärzte immer öfter ins Ausland emigrieren. Die türkische Regierung hat jüngst die Strafen für Gewalt gegen Ärzt:innen erhöht.
Allerdings wird von der türkischen Regierung auch ein anderer Grund für die Abwanderung angeführt: „Vergessen Sie nicht, unsere Ärzte sind die am besten ausgebildeten Ärzte, und die reichsten Länder haben ein Auge auf sie geworfen“, argumentierte Gesundheitsminister Fahrettin Koca laut dem Spiegel Ende des vergangenen Jahres vor dem Parlament. Koca ist parteilos, aber auch der Leibarzt von Erdogan. Kürzlich wurde bekannt, dass Erdogan und seine Frau positiv auf Corona getestet worden sind. Die Infektion verlaufe milde, da Erdogan bereits dreifach geimpft sei. Allerdings ging Erdogan massiv gegen Twitter-User:innen vor, die ihn angeblich beleidigt haben sollen. (df)