Er machte Karriere im KZ – und lässt bis heute jedes Wort der Reue vermissen
Die Welt
Josef Sch. bewachte jahrelang Häftlinge im Konzentrationslager Sachsenhausen. Nun steht der Prozess gegen ihn kurz vor dem Ende. Ob der 101-Jährige nach einer Verurteilung tatsächlich eine Haftstrafe antreten müsste, ist noch unklar.
Auf diesen Tag hat sich Thomas Walther lange vorbereitet. Der Rechtsanwalt steht am Montagmorgen in einer zum Gerichtssaal umfunktionierten Sporthalle in Brandenburg an der Havel. Vor dem 79-Jährigen steht ein Pult, neben ihm ein Glas Wasser. Walther trägt eine schwarze Robe und holt einmal tief Luft. Dann setzt er zu einem 90-minütigen Vortrag an, den man vor Gericht selten erlebt. Es ist sein Plädoyer im Strafprozess gegen Josef Sch., einem früheren Wachmann des Konzentrationslagers Sachsenhausen.
Sch. wird vorgeworfen, wissentlich und willentlich Beihilfe zur grausamen und heimtückischen Ermordung von 3518 Lagerinsassen geleistet haben. Zahlreiche historische Dokumente mit Namen, Geburtsdatum und Geburtsort belegen, dass Sch. von Ende 1942 bis Anfang 1945 im SS-Totenkopfsturmbann als Wachmann in Sachsenhausen eingesetzt war und dort zum SS-Rottenführer befördert wurde. Der Angeklagte machte Karriere im KZ. Sch. behauptet, Sachsenhausen nicht zu kennen und unschuldig zu sein.