"Er ist der Grund, warum ich hier sitze"
Süddeutsche Zeitung
Mit Gold und Bronze im Sprint feiern Johannes Thingnes und Tarjei Bö ihren größten Erfolg als Brüder. Sie stärken sich gegenseitig - für den älteren erfüllt sich ein letzter sportlicher Wunsch.
Tarjei Bö schloss die Augen und streckte die Nase Richtung Himmel, diesen Moment musste er jetzt genießen. In seinem Arm sein kleiner Bruder, beide standen sie zusammen auf dem Treppchen, das zu ihren Ehren im Weltcup schon mal umbenannt wurde: Das Podium wurde dann zum "Bödium", wenn die Bös unter den Besten ihr Rennen beendeten. Und nun also, Samstagabend in Zhangjiakou: Da hatte sich Johannes Thingnes Bö, der kleinere, die Goldmedaille im Sprint gesichert, Bronze ging an Tarjei Bö, es war nach all den Staffelerfolgen ihr größter Familienmoment.
Quentin Fillon Maillet aus Frankreich hatte sich dazwischen geschoben und Silber gewonnen, ihn und Johannes Thingnes Bö verbindet eine freundschaftliche Rivalität - beide sind in China schon mit drei Medaillen aus drei Rennen dekoriert. Und so vereinten sich in diesem Sprint viele Geschichten, die emotionalste aber war: Dass Tarjei, der ältere Bö, nun auch seine Olympia-Medaille aus einem Einzelrennen mit nach Hause nehmen kann. "Es bedeutet mir alles", sagte der 33-Jährige. Und meinte wohl auch, dass er diesen Moment mit jemandem teilen konnte, der ihn so gut versteht wie es sein Bruder eben tut.
Die Starterinnen um Goldgewinnerin Denise Herrmann wollten all die positiven Eindrücke nutzen, um diese Winterspiele zu ihren zu machen. Das Ergebnis: Der schlechteste Sprint deutscher Biathletinnen bei Olympia. Von Saskia Aleythe
Nur wegen Tarjei hatte Johannes, 28, überhaupt mit dem Biathlon angefangen, das betonte er jetzt nochmal, als er auf dem Pressepodium saß. "Er ist der Grund, warum ich hier auf sitze, auf dem ersten Platz", sagte Johannes. Reibungslos lief es aber nicht immer zwischen ihnen ab: "Biathlon ist einfach im Vergleich zu den Kämpfen, die wir miteinander hatten", sagte er, halb im Scherz, aber diese Zeit liegt lange hinter ihnen. Die Bronze-Medaille sei wie Gold für seinen Bruder, "ich bin stolzer auf ihn als auf mich selbst".
Tarjei war 2010 schon Staffel-Olympiasieger in Vancouver geworden, hatte 2011 die Gesamtwertung im Weltcup gewonnen - mit 22 Jahren, so jung war vor ihm bei solchen Erfolgen niemand. "Mein Ziel war es, so viel wie möglich zu gewinnen, bevor er erwachsen ist", sagte Tarjei über Johannes, er hatte schon im Gefühl, dass der Jüngere ihn überholen würde. So kam es dann auch, drei Mal gewann er schon den Gesamtweltcup. Tarjeis letztes Ziel in China: Endlich diese Solo-Medaille bei Olympischen Spielen zu ergattern. Es sind seine letzten, für Bö lief nun ein Countdown ab: vier Chancen hatte er nur noch, sich seinen Traum zu erfüllen.