Energiewende: Die Alpen als Strompuffer Europas
DW
Die Schweiz will ihre Stauseen ausbauen, um sich unabhängiger von Stromimporten zu machen. Schweizer Wasserkraftwerke könnten auch helfen, die Strompreise in EU-Ländern zu senken. Doch ein Abkommen liegt auf Eis.
Noch in diesem Sommer soll nahe dem Genfer See in den Walliser Alpen das Pumpspeicherkraftwerk (PSW) Nant de Drance ans Netz gehen. Mit einer Leistung von 900 Megawatt (MW) wird es das zweitgrößte der Schweiz sein und die Leistung eines ausgewachsenen Atom- oder Kohlekraftwerksblocks haben. Das obere Reservoir liegt 2200 Meter hoch und fasst genug Wasser für 20 Stunden Volllastbetrieb. Das größte PSW der Eidgenossenschaft, Linth-Limmern, liegt im zentraler gelegenen Kanton Glarus (Artikelbild). Es ging 2016 ans Netz und kann bis zu 33 Stunden lang 1000 MW leisten.
Das ist eine Menge erneuerbarer Energie. Was die beiden Kraftwerke aber besonders wertvoll für die Energiewende macht: Sie können in weniger als zehn Minuten von Produktions- auf Speicherbetrieb umschalten. Dann pumpen die Turbinen mit der gleichen Leistung Wasser aus dem unteren Reservoir die Schleusen wieder hinauf und laden ihr Erzeugungspotenzial wieder auf.
Angesichts des wachsenden Speicherbedarfs dürfte es nicht überraschen, dass Energieunternehmen Pumpspeicherkraftwerke bauen - auch wenn die Investitionssummen enorm sind. Beide PSW haben etwa 2,1 Milliarden Euro gekostet. Gemessen an Leistung und Kapazität kosten Batteriespeicher aber ein Vielfaches. Zumal PSW auf eine Laufzeit von 80 Jahren und theoretisch unendlich viele Lade- und Entladezyklen ausgelegt sind, während Lithium-Ionen-Großspeicher nach zehn bis 20 Jahren bis zu einem Drittel ihrer Kapazität verloren und damit ausgedient haben.
Tatsächlich aber stockt der Bau für Wasserspeicherkraftwerke - ob mit oder ohne Pumpwerk - seit Jahren. Und das nicht nur in der Schweiz. In Deutschland ist das Potenzial für wirtschaftliche Anlagen mangels hoher Berge ohnehin überschaubar. Mit Blick auf die Ökologie halten es Umweltverbände auch für weitgehend ausgeschöpft. Letzteres gilt auch für Österreich.
Der Strommix des Landes ist dem der Schweiz recht ähnlich: Zwei Drittel Wasserkraft, gut 15 Prozent Erneuerbare, den Anteil der Kernkraft übernehmen hier fossile Energieträger. An Wasserspeicherkraftwerken werden hier vor allem noch kleinere Erweiterungen umgesetzt. Denn klar ist: Das Anlegen von Stauseen bedeutet immer einen erheblichen Eingriff in die Natur.