Energie aus Kernfusion als Wohlstandsretter?
ZDF
Im englischen Oxfordshire ist ein neuer Rekord in der Fusionsforschung gelungen. Kann die Technologie triumphieren?
In der neuen Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.
Fünf Sekunden lang brannte das Feuer der Sonne in einer Metallröhre in England. Da schlägt mein Physikerherz sofort höher. Denn wenn das funktioniert mit der Kernfusion, haben wir Energie ohne Ende - praktisch klimaneutral: In einem Kilo Fusionsbrennstoff steckt so viel Energie wie in 10.000 Tonnen Öl.
Energie ist die Droge, mit der die Welt so werden konnte, wie sie ist, die Währung unseres Wohlstands. Die Kernfusion verspricht, dass alles so weitergehen kann wie gehabt, nur besser. Falls Sie den Verdacht haben, dass ich jetzt schon die Bodenhaftung verloren habe: bitte noch einen Moment fliegen lassen.
Was Physiker und Ingenieure hier vorhaben, ist so brillant wie verwegen: Um Atomkerne im Versuchsreaktor JET zu verschmelzen, brauchte man eine Temperatur von 150 Millionen Grad. Zehn Mal so heiß wie im Inneren der Sonne. Erst das bringt zwei Kerne so nah zueinander, dass sie ihre elektromagnetische Abstoßung überwinden und die sogenannte starke Kraft zwischen ihnen überhaupt wirkt.
Das setzt ungeheuer viel Energie frei: Die Sonne kann damit mindestens weitere fünf Milliarden Jahre leben.
Im britischen Culham war’s etwas bescheidener: Dort kam eine Energiemenge heraus, mit der man 175 Liter Wasser zum Kochen bringen kann. Das ist nur ein Anfang. Aber der Schneider von Ulm, Erfinder und Flugpionier im 18. Jahrhundert, hat auch nicht gleich eine Boeing 747 gebaut.
Klingt es nicht 1.000 Mal angenehmer, die Welt mit Fusionsreaktoren vor dem Klimakollaps zu retten als mit Verzicht und Zumutungen? Im Vergleich zu einer Energie- und Nachhaltigkeitswende, die unsere Landschaften zuspargelt, Mobilität und Heizen teurer macht und obendrein von uns allen Konsumverzicht einfordert, verspricht die Kernfusion das Paradies auf Erden.