Eine russische Herzensangelegenheit
Süddeutsche Zeitung
"Kopf hoch, und besiege alle!": Aus der Heimat erreichen Eiskunstläuferin Walijewa trotzige Grüße, während der Sportgerichtshof entscheidet, ob die 15-Jährige trotz positivem Dopingtest im Einzel starten darf - ihr Umfeld gerät in den Fokus.
Auf Moskaus Straßen haben sie sich rasch um Unterstützung bemüht für das derzeit berühmteste Gesicht des russischen Sports. "Kamila, wir halten zu dir", dieses Plakat ist dort jetzt öfter zu sehen, wie Aufnahmen im Internet zeigen. Die Verantwortlichen des Hotels "Salut" im Südwesten der Stadt haben gar auf die komplette Fassade, über mehr als anderthalb Dutzend Etagen, ein Bild der Eiskunstläuferin projiziert. Das passte auch bestens zu den Worten, die Dmitrij Peskow, der Sprecher von Staatspräsident Wladimir Putin, der Eiskunstläuferin Kamila Walijewa aus der Heimat zurief: "Du bist Russin!", lautete seine Grußbotschaft, "Kopf hoch, und besiege alle!"
Was für eine Aufforderung an ein 15 Jahre altes Mädchen, das gerade von einem Dopingsturm erfasst wird, auf der größten Bühne des Sports. Und das jetzt auch den Kopf hinhalten muss für die offenkundigen Abgründe des Sportsystems im Riesenreich Russland.
Am vergangenen Freitag wurde öffentlich, dass Walijewa positiv auf das im Sport verbotene Herzmittel Trimetazidin getestet worden war. An diesem Montag will der Internationale Sportgerichtshof (Cas) ein Urteil zu der Frage fällen, welche Konsequenzen das hat. Zunächst für Walijewa persönlich, die am Dienstag im olympischen Einzel starten will (bzw. soll); aber auch für die russische Eiskunstlauf-Mannschaft, die mit der 15-Jährigen an der Spitze vor knapp einer Woche das Team-Event bei den Winterspielen in Peking gewonnen hatte.
Die Eisläuferin Kamila Walijewa beim Training, ein flüchtiger TV-Moment. Aber dahinter die alte Geschichte von schutzlosen Sportlerinnen, die immer neu erzählt wird. Von Holger Gertz
Und letztlich geht es dabei immer auch um Russlands gesamtes Olympiateam, das - man kann die Absurdität nicht oft genug wiederholen - in Peking als Folge des Staatsdopingskandals offiziell gar nicht als Russland antritt, sondern als Abordnung des russischen Olympia-Komitees ROC.