
Eine Nacht voller Melancholie
Frankfurter Rundschau
Der tragische Abend für Kylian Mbappé legt die Defizite in Frankreichs Nationalmannschaft schonungslos offen.
Ganz am Anfang, die Europameisterschaft hatte noch nicht begonnen, beschrieb Paul Pogba das Leben in Frankreichs Nationalmannschaft in blumigen Worten. „Die Stimmung mit allen ist immer großartig, es gibt nur Lachen, Musik und Massagen“, versicherte der Mittelfeldmann von Manchester United wenige Tage vor dem Auftaktspiel gegen Deutschland, und wie zum Beleg sendete der Französische Fußball-Verband (FFF) zu diesem Zeitpunkt noch Kabinenvideos in die virtuelle Welt, die genau diesen Eindruck erweckten. Just waren Spannungen um Kylian Mbappé ein Thema geworden, die Kollege Pogba wegwitzeln wollte: „Die einzigen Spannungen haben wir am Rücken und in den Beinen“, und die würden die Physiotherapeuten schon lösen. Nun allerdings kam der Weltmeister beim Achtelfinalaus gegen die Schweiz (4:5 im Elfmeterschießen, 3:3) wie eine einzige Blockade rüber. Zum Lachen war niemand zumute. Und Musik lief in den Umkleiden des Nationalstadions von Bukarest auch keine mehr. „Ich war in der Kabine. Es war eine traurige Atmosphäre. Es ist eine einzigartige Mannschaft, heute ist sie einfach am Boden“, schilderte Didier Deschamps betroffen, nachdem Frankreichs Nationaltrainer zur Pressekonferenz seine schwarze Maske abgestreift hatte, die ansonsten bestens zum schwärzesten Tag seiner fast neunjährigen Amtszeit gepasst hätte. Die Equipe Tricolore gab bei diesem Turnier ein wenig stimmiges Erscheinungsbild ab, das an die überwunden geglaubten Tiefpunkte unter Deschamps Vorgängern erinnerte. Die Ursachen sind, wie immer, vielfältig, aber über allem schwebt nun die Frage: Wie kann ein Team bloß so viel Talent vergeuden? Es fehlte erkennbar an jenem Zusammenhalt, der die Gemeinschaft 2018 noch zum Triumph trug. Nun war jeder sehr mit sich beschäftigt, und dabei besetzte das in Russland gefeierte Megatalent Mbappé in Rumänien eine besonders tragische Rolle. So geschmeidig der Bewegungskünstler für Karim Benzema (57. und 59.) zum zwischenzeitlichen 2:1 aufgelegt hatte, so ungeschickt stellte sich der 22-Jährige wiederholt beim Abschluss an – und vergab fast mit Ankündigung den letzten Strafstoß gegen den Schweizer Keeper Yann Sommer.More Related News