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Eine kleine Kulturgeschichte des Hanfs
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Ob chinesischer Kaiser, Prophet Moses oder amerikanische Gründerväter: Jahrtausende lang gehörte die Hanfpflanze zum Alltag der Menschen - nicht nur als Rauschmittel.
Was haben die Gutenberg-Bibel und die amerikanische Unabhängigkeitserklärung gemeinsam? Oder ein Wandteppich aus der Wikingerzeit mit einem Schiff von Christopher Kolumbus? Und was verbindet das vom griechischen Geschichtsschreiber Herodot beschriebenen Nomadenvolk der Skythen mit einem göttlichen Auftrag an den Propheten Moses?
Die Antwort auf all diese Fragen lautet: Hanf. Seit Jahrtausenden gehört die Hanfpflanze in vielen Kulturen rund um den Globus zum Alltag. Man kann daraus Papier oder Textilien herstellen oder ihn für medizinische Zwecke nutzen - und das nicht nur als Mutterpflanze verschiedener Rauschmittel. Gerade vor dem Hintergrund der geplanten Legalisierung von Cannabis in Deutschland ist es deshalb höchste Zeit, mit den Mythen rund um das Kraut aufzuräumen und eine kleine Kulturgeschichte des Hanfs zu erzählen.
Auch wenn eine genaue Lokalisierung unmöglich ist, stimmen Forscher darin überein, dass Hanf ursprünglich vom asiatischen Kontinent stammt. So belegen archäologische Ausgrabungen in Japan, dass die Samen der Hanfpflanze dort seit mindestens 10.000 Jahren von Menschen gesammelt werden. Auch in Indien, Thailand oder Malaysia wurden prähistorische Überreste nachgewiesen. Funde auf dem Gebiet des heutigen Chinas beweisen, dass man dort spätestens um 4000 vor Christus gelernt hatte, aus Hanffasern Textilien herzustellen.
Aus dem Chinesischen stammen dann auch einige der frühesten schriftlichen Überlieferungen, dass Hanf als Medizin eingesetzt wurde. Das Wissen darüber wird dem mythischen Urkaiser Shennong zugeschrieben. Im "Běn Cǎo Jīng", einem im ersten Jahrtausend vor Christus aus mündlichen Überlieferungen zusammengestellten Buch, erfährt man so einiges über Kräuterheilkunde. Explizit wird im Buch die Wirkung von Hanf beschrieben: Es erlaube nicht nur die Kommunikation mit Geistern, steht dort geschrieben, sondern entspanne auch den Körper. Gleichzeitig wird davor gewarnt, dass man bei einer zu hohen Dosierung riskiere, den Teufel zu sehen - heutzutage würde man wohl eher von Halluzinationen sprechen.
Wahrscheinlich verbreiteten handeltreibende Nomadenvölker die Hanfpflanze dann zunehmend auch im Westen. Ein Zeugnis dafür findet sich im Werk des griechischen Geschichtsschreibers Herodot. Er beschrieb im 5. Jahrhundert vor Christus das Reitervolk der Skythen. Es lebe am eurasischen Rand der Welt, wo auch Hanf wachse. Bei Bestattungen, so Herodot, würden die Skythen sich in einem Zelt versammeln, Hanfsamen auf glühende Steine werfen und sich dann in dem Dampfbad reinigen. "Die Skythen freuen sich über das Schwitzbad und heulen vor Lust", schreibt Herodot. Das lateinische Wort Cannabis ist übrigens aus der Sprache der Skythen entlehnt.