Eine Frage des Überlebens
Die Welt
Beim Bundesparteitag der Linken in Erfurt deutet sich an, dass Janine Wissler als Vorsitzende bestätigt werden könnte. Doch Einigkeit lässt die Partei bisher sonst eher vermissen – dabei bräuchte sie die vielen Mitgliedern zufolge, damit sie eine Zukunft hat.
Am Ende ist Janine Wissler deutlich anzusehen, wie die Anspannung der vergangenen Wochen von ihr abfällt: Die Linke-Chefin lächelt, scheint mit den Tränen zu ringen. Tosender Applaus schlägt ihr von den mehr als 500 Delegierten im Saal entgegen. Wissler hat die Zeit für ihre Eröffnungsrede auf dem Bundesparteitag in Erfurt am Freitag deutlich überzogen. „Ich hatte mit etwas weniger Applaus gerechnet, das geb ich zu“, sagt sie zwischendurch entschuldigend. Gelohnt hat es sich. Womöglich hat Wissler mit dem Auftritt ihr politisches Überleben gesichert.
Für drei Tage ist die krisengebeutelte Partei zusammengekommen. Das erste Mal nach drei Jahren in Präsenz. In dieser Zeit ist die Linke beinahe aus dem Bundestag geflogen, bei Landtagswahlen abgestürzt, hat eine Vorsitzende verloren, sich mit einem #MeToo-Skandal beschäftigen müssen und ist vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs in eine tiefe Sinnkrise gestürzt.