
Eine Draglesung für Kinder und wütende Proteste
n-tv
Selten dürfte eine Lesung für Kinder in einer Bibliothek soviel Aufmerksamkeit bekommen haben wie in München. Hunderte Demonstranten, viel Polizei und zahlreiche Journalisten begleiteten die Veranstaltung mit zwei Dragkünstlern am Dienstag. Doch warum?
München (dpa/lby) - Vor der Tür gibt es Sympathiebekundungen, Pfiffe und wütenden Protest, drinnen werden Bilderbücher vorgelesen mit der Botschaft: Trau dich, so zu sein, wie du bist. Doch weil die Vorleser in einer Münchner Stadtbibliothek Dragqueen Vicky Voyage und Dragking Eric BigClit sind, haben unter anderem die AfD und Vertreter der Querdenker-Bewegung zum Protest gerufen. "Finger weg von unseren Kindern" heißt es auf Plakaten, andere warnen vor einer Frühsexualisierung. Die Zahl der Befürworter der Lesung ist am Dienstag aber mehr als doppelt so hoch: Rund 500 junge Menschen, viele bunt geschminkt und kostümiert, erheben ihre Stimmen gegen Hetze und für Diversität und Toleranz - lautstark, aber friedlich, wie die Polizei feststellt.
Für Kinder ab vier Jahren bot die Bibliothek die Lesung mit den Drag-Künstlern an, die mit ihren Kostümen und ihrer auffälligen Schminke in eine Kunstfigur schlüpfen, wie ein Schauspieler in eine Rolle. Und die bewusst damit spielen, dass ein Mann Frauenkleider trägt. "Wir brauchen Vorbilder, die zeigen, dass es okay ist, anders zu sein, das ist die schlichte Botschaft", sagt der Direktor der Stadtbibliothek, Arne Ackermann.
Das sieht eine Teilnehmerin bei den Gegnern anders. "Ein Mann, der sich als Frau verkleidet und sich große Klitoris nennt - allein wenn der sich schon vorstellt, transportiert er eine sexuelle Erregung, die er den Kindern aufdrängt", schimpft die Psychotherapeutin. Zwischendurch verschaffen sich sieben Jugendliche der Identitären Bewegung Zutritt zur Bibliothek. Die Lesung finden sie nicht, sie ist in einem anderen Bereich. Kurz darauf führt die Polizei die Jugendlichen ab.