Ein schmaler Grat
Süddeutsche Zeitung
So schrecklich der Mord an den beiden Polizisten gewesen ist, so schnell und effektiv handelte die Polizei. Das ist ein Erfolg und im Schmerz ein kleiner Trost. Dahinter aber lag ein schwieriger Abwägungsprozess.
Der Schrecken der Nacht traf ins Mark. Zwei junge Menschen, eine 24-jährige Polizeianwärterin und ihr 29-jähriger Kollege, wurden wie aus dem Nichts morgens um 4.20 aus dem Leben gerissen. Auf einer Landstraße, während einer vermeintlich normalen Polizeikontrolle, nach einem letzten Funkspruch "Die schießen auf uns". Viel schlimmer kann es kaum kommen: blanke Gewalt, die tötet und ein ganzes Land entsetzt zurücklässt.
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Umso beruhigender wirkte es, dass die beiden zunächst Hauptverdächtigen noch am selben Tag festgenommen werden konnten. Zum Schmerz der Angehörigen und dem Entsetzen der anderen Menschen kam noch vor dem Ins-Bett-gehen die Botschaft hinzu, dass - wenn alles gut geht - von den beiden wahrscheinlichen Tätern keine Gefahr mehr ausgeht.
Über den Tag hinweg war das noch die weitergehende Angst gewesen: dass noch mehr Menschen in Gefahr sein könnten. Bis zum Abend wurde die Bevölkerung gewarnt, blieben Gebiete gesperrt, schienen weitere Schreckenstaten möglich. Erst als die Festnahmen gemeldet wurden, löste sich eine Anspannung, die sich an diesem 31. Januar 2022 nicht nur auf die Region rund um den Tatort, sondern durch eine bundesweite mediale Begleitung weit darüber hinaus ausgebreitet hatte.
Für die Polizei und die Sicherheitsbehörden ist das mindestens eine wichtige Zwischenetappe, vielleicht sogar ein großer Erfolg. Je heftiger und grausiger die Tat, desto lauter ist der Ruf nach einer schnellen Antwort. Kann der Rechtsstaat das? Findet er die Mörder? Kann er die Sicherheit der Menschen schnell wiederherstellen? Bekommen die Täter ihre Strafe? Diese Fragen sind alles andere als neu, sie stellen sich wieder und wieder, natürlich. Aber an einem Tag wie gestern rücken sie neben dem Schmerz der Freunde und Familien selbstverständlich ins Zentrum.