Ein Jahr nach der Explosion in Beirut: Die Hoffnung ist zerstört
Frankfurter Rundschau
Seit der Explosion im Hafen in Beirut vor einem Jahr haben viele Menschen endgültig das Vertrauen in den libanesischen Staat verloren. Doch zum Protest fehlt den meisten die Kraft.
Melissa Fathallah erinnert sich an die Kabel der Stromleitungen, die am Abend des 4. August 2020 überall an der Rue Pasteur im Stadtviertel Gemmayzeh unweit des Hafens von Beirut herunterhingen. „Sie sahen aus wie die schwarzen Tentakel eines Monsters“, sagt sie. Menschen lagen zwischen Trümmern und Autowracks in Blutlachen. Es war ein Alptraum aus Rot und Schwarz, Stöhnen und Schreien, durch den Fathallah sich ihren Weg bahnen musste. Fathallah steuerte das Hotel Em Nazih an. Sie hätte dort an jenem Abend Dienst an der Rezeption gehabt. Sie hätte Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte empfangen sollen, die ausgebrannt von ihren Schichten auf der Covid-Station einer nahen Klinik einen Platz zum Ausruhen suchten. Doch Fathallah blieb wegen einer Unpässlichkeit an diesem Abend länger zu Hause. Sie verspätete sich. Der deutsche Helfer Serkan Eren aus Stuttgart geht knapp ein Jahr nach dem 4. August 2020 gemeinsam mit Melissa Fathallah den Weg entlang der Rue Pasteur zum früheren Hotel Em Nazih. Er ist in Beirut, um mit Spenden seines Vereins „Stelp“ aus Stuttgart Material für Fathallahs Organisation „Baitna Baytak“ zu kaufen. Und er will sich erinnern. Eren und Fathallah sind sich vielleicht in der Nacht nach der Explosion in dem Chaos zwischen Sterbenden und Schwerverletzten im Viertel Gemmayzeh über den Weg gelaufen. Eren war kurz vor dem 4. August in den Libanon gereist, um Kontakte für Hilfsprojekte in dem von einer Wirtschaftskrise gebeutelten Land zu knüpfen. Er war mit einem Journalisten außerhalb von Beirut unterwegs, als er die Detonation spürte. Sie fuhren zurück in die unter einer riesigen Wolke verschwundene Stadt. Seine Pension lag im Gemmayzeh-Viertel. Dort angekommen, hörte Eren die Schreie aus den ringsherum zerstörten Gebäuden und rannte los.More Related News