Ein Armutszeugnis für den deutschen Staat
n-tv
Eine leidenschaftlich engagierte Staatsanwältin kündigt und verzichtet auf den Beamtenstatus sowie die Möglichkeiten als Ermittlerin. Sie glaubt, bei einer NGO mehr gegen Milliardenbetrüger in der Wirtschaft tun zu können als im Justizapparat. Wenn dieses Alarmsignal überhört wird, ist der Rechtsstaat in Gefahr.
Der Cum-Ex-Skandal ist der übelste Steuerbetrug der deutschen Geschichte, ein Milliardenraub zu Lasten der Staatskasse, also der Steuerzahler. Er trägt Züge Organisierter Kriminalität. Bei den Geschäften schoben Gauner Aktien rund um den Tag der Entscheidung, wer Anspruch auf Dividende hat oder nicht, hin und her. Anschließend erstatteten Finanzämter Kapitalertragsteuern an Banker, Berater, Anwälte und Aktienhändler, die nie gezahlt worden waren. Ermittler fanden Indizien von Einmischung in die Politik, damit die dafür sorgte, dass der Schein seriöser Geschäftstätigkeit gewahrt bleibt. Erst 2012, ein Jahrzehnt nach den ersten offiziell registrierten Hinweisen auf die Machenschaften, schob eine Bundesregierung dem Cum-Ex-Irrsinn einen Riegel vor.
2012 war auch das Jahr, in dem die Kölner Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker zu ersten Verdachtsfällen zu ermitteln begann. Sie leitete die eigens eingerichtete Hauptabteilung, die sich mit der hochkomplexen Materie befasste, die extrem schwierig zu erfassen ist, weshalb es Jahre dauert, bis Anklagen erfolgen. Brorhilker brachte Licht ins Dunkel. Mit ihrer Mannschaft gelang es, Beschuldigte zu überzeugen, als Kronzeugen aufzutreten - ein Meilenstein bei der Aufklärung und der Ahndung des Skandals. Eine ihrer Beweisführungen führte 2019 zum ersten rechtskräftigen Cum-Ex-Urteil.
Doch statt in Ehrfurcht vor ihr niederzuknien, legten Vorgesetzte und Dienstherrn in Nordrhein-Westfalen der Juristin immer wieder Steine vor die Füße und schafften es, sie zu frustrieren - mit dem Ergebnis, dass Brorhilker kündigte. Besonders bitter ist ihre Begründung. Die "mächtigste Staatsanwältin in Deutschland", wie sie die "FAZ" nannte, verzichtet auf ihren hoch angesehenen Job, den Beamtenstatus plus Pensionsansprüche und wechselt zur Bürgerbewegung Finanzwende, weil sie glaubt, bei einem zivilgesellschaftlichen Verein mehr gegen Milliardenbetrüger in der Wirtschaft tun zu können als im Justizapparat. Sie traut also dem Staat momentan weniger Wirkmacht zu als einer NGO. Das ist sowohl ein krasses Armutszeugnis für den deutschen Staat als auch ein unüberhörbares Alarmsignal für die Politik.
Simone Menne hat klare Worte für Elon Musk übrig. Die Präsidentin der American Chamber of Commerce in Deutschland sieht im Tesla-Chef wie in Donald Trump einen Meister der Polarisierung und im Überschreiten von Grenzen. Wie sie künftig damit umgehen will, verrät sie im ntv-Erfolgspodcast "Biz & Beyond".