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Ein „German Dream“: Cem Özdemir als Außenminister
Frankfurter Rundschau
Ein deutscher Außenminister mit dem Namen Özdemir – das wäre ein Zeichen für einen echten Aufbruch und mehr Diversität. Die Kolumne.
Frankfurt - Die Kamera schwenkte auf einen kleinen Garderobentisch. Darauf stand ein Telefon. Der Anrufbeantworter ging an. In breitem, für mich kaum verständlichen Schwäbisch meldete ein junger Mann, der sich als Schwabe aus Anatolien vorstellte. Es war Cem Özdemir. Der Fernsehbeitrag von 1995 berichtete über das erste Kind türkischer Gastarbeiter, das für die Grünen in den Bundestag eingezogen war. Ein Traum, ein German Dream, der Beginn einer deutschen Erfolgsgeschichte. Damals traf ich ihn das erste Mal.
In diesen Tagen jährt sich das Anwerbeabkommen der Bundesrepublik mit der Türkei zum 60. Mal. Cem Özdemirs Eltern kamen damals nach Deutschland. Der Vater hatte in der Landwirtschaft gearbeitet, konnte sich kaum Schulbildung leisten, der Mutter ging es etwas besser. Beide waren sehr einfache und sehr liebevolle Leute, die für ihr Kind das Beste wollten. Cem, im Schwabenland geboren und aufgewachsen, erlebte auch holprige Phasen aufgrund seiner Herkunft. So ging es den meisten Gastarbeiterkindern. Viele erfuhren Geringschätzung, Ausgrenzung, Abwertung, was ihnen den Weg durch das deutsche Bildungssystem sehr schwer machte. Cem wurde Pädagoge und engagierte sich bei den Grünen. Und zog 1994 in den Bundestag ein. Das klingt einfach, war es aber nicht.
Einmal lud ich Cem zu einem Ausflug ein. Ich nahm ihn mit auf einen Reiterhof. Er hatte noch nie auf einem Pferd gesessen. Klar, wieso nicht, sagte er und kletterte aufs Pferd. Neugierig, unerschrocken und mit seinem typischen Sinn für Selbstironie saß er auf dem Pferd, und es war, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Er sei nicht umsonst ein Tscherkesse – rief er. Reitervolk, fügte er hinzu. Aus Schwaben, lachte er.