Eduard von Keyserling: „Kostbarkeiten des Lebens“ – Einladung ins Feuilleton
Frankfurter Rundschau
Das Dasein als lebendes Ganzes fühlen und sehen: Der Schriftsteller Eduard von Keyserling und das einzig ernstzunehmende literarische Genre.
Der Manesse Verlag ergänzt jetzt seine Schwabinger Ausgabe der Werke Eduard von Keyserlings mit einem gewichtigen Band, der Feuilletons und Briefe dieses Autors sowie reiches biographisches Material enthält. Während Unerfahrene sicher besser zunächst beispielsweise Keyserlings wunderbaren Roman „Wellen“ lesen sollten, von dessen tiefen Einsichten sich manche Schulweisheit nichts träumen lässt, ist das neue Buch für den, der den Autor bereits zu schätzen weiß, eine einzigartige, nahezu unverzichtbare Fundgrube.
Eduard von Keyserling, 1855 geboren, entstammte einem baltischen Adelsgeschlecht, und die Herkunft aus der Aristokratie bestimmte sowohl seinen Umgang mit anderen Menschen als selbstverständlich auch seine Prosa. Es gibt in diesem Band kurze Texte, die den aristokratischen Gestus des ne quid nimis – bloß nichts übertreiben! – auf das Schreiben übertragen und dabei von beeindruckender Sachkenntnis sind.
Mit zwei Sätzen, in einem Beitrag zu einem Almanach des Jahres 1905, charakterisiert er das Werk Friedrich Schillers auf eine Art und Weise, die, ohne dass ein böses Wort fiele, den Verdacht nahelegt, es handle sich dabei letztlich doch um einen etwas hohlen Idealismus: „Schiller gehört, wie die Religion, schon früh in unsere Jugend hinein. Auch bei ihm soll in die Zeit, da wir ihn verstehn, etwas von dem Glanze jener Zeit noch fallen, da wir ihm ganz glaubten, ohne ihn zu verstehn.“