E.T.A. Hoffmann im Romantik-Museum in Frankfurt: Womöglich gleich hinter der nächsten Ecke
Frankfurter Rundschau
Die E.T.A.-Hoffmann-Ausstellung „Unheimlich Fantastisch“ im Deutschen Romantik-Museum.
Der Abstand zu Stift und Papier wächst weiter, und man kann sich noch nicht sicher sein, wie zwangsläufig, günstig oder grausig das ist. Nun führt auch die neue Ausstellung im Deutschen Romantik-Museum in die unsereinem noch ganz vertraute Zeit, in der eine geläufige Handschrift das Selbstverständlichste auf der Welt war. Das galt schon für die erste Wechselausstellung im jungen Frankfurter Museum („Zeichnen im Zeitalter Goethes“), und in der jetzt eröffneten Ausstellung zum 200. Todestag von E.T.A. Hoffmann ist die Frage des Mediums ebenfalls keine beiläufige, sondern eine zentrale.
Es ist nicht auszudenken, was Hoffmann mit den elektronischen Medien angestellt hätte. Es ist aber zugleich nicht zu leugnen, dass ein Mensch, dem jedes Mittel zum Ausdruck recht ist, in der analogen Sphäre bereits alles vorfindet, was er braucht. Warum fällt das ausgerechnet hier so auf? Weil E.T.A. Hoffmann ein Kurznachrichtenschreiber und eine Plaudertasche ist, und wenn er nicht schreibt, dann stellt er eine freche Zeichnung her. Ständig will etwas aus ihm heraus. Und wenn nicht aus ihm, dann aus seinem Avatar, dem Kapellmeister Kreisler, der für ihn manches schrieb und unterschrieb.
Wenn Hoffmann eine Skizze vom Gendarmenmarkt in Berlin zeichnet, dann spazieren nicht nur Brentano und Tieck umher, sondern auch ein Vogel Strauß und ein Affe, und in der Ecke erleichtert sich ein Anonymus, weil nichts so blöde ist, dass man es nicht auch einmal hinzeichnen könnte. Und wenn er dem Freund seinen Kater von der vergangenen Nacht schildert, so ist er doch bereits aufgelegt, abends zu neuen Bummeleien mit ihm auszuziehen (dazu ein Bildchen wie drangehängt). Hoffmann ist nicht wegen seiner Alkoholprobleme unser Zeitgenosse, sondern wegen der Unmittelbarkeit des Kontaktes, der in einer fiktiven, aber kraftvollen Echtzeit stattfindet. Die Nachrichten müssen eigentlich hinausschnellen wie E-Mails.
Natürlich kann das nicht sein. Darum geht es ja gerade. Aus dem Alltag erwächst das Unmögliche, Verrückte und Grausige, die andere Seite derselben Welt. Sie ist nicht weit weg, die andere Seite, und darum umso schauriger. „Unheimlich Fantastisch – E.T.A. Hoffmann 2022“ heißt die Ausstellung, bringt das Nächtliche (keineswegs Rückwärtsgewandte) und das Unwahrscheinliche (keineswegs Wissenschaftsferne) zusammen und betont lieber den Bezug zur Gegenwart als zum Jahr 1822, in dem Hoffmann am 25. Juni mit nur 46 Jahren starb.
„Unheimlich Fantastisch“ hat schon etwas gesehen von der Welt, na ja, wurde jedenfalls in unterschiedlichen Varianten in Bamberg und Berlin gezeigt. Viel weiter kam auch Hoffmann nicht herum (Königsberg, Warschau, Plock ...), nicht einmal – das ist eine Überraschung, dazu gleich mehr – bis Frankfurt, wo die dritte, letzte Runde zu sehen ist. Auch sie mit eigenen Stationen. Neben der Kuratorin Christina Schmitz war Wolfgang Bunzel vom Freien Deutschen Hochstift zuständig.