"Dracron": Französisch-italienisches Duo für die EU?
DW
Deutschland und Frankreich galten bislang als "Motor" der EU. Bildet sich mit dem Duo aus Italiens Premier DRAghi und Frankreichs Präsident MaCRON ein Gegengewicht? Eine Analyse von Bernd Riegert.
In den vergangenen Wochen und Monaten demonstrieren der französische Präsident Emmanuel Macron und der italienische Ministerpräsident Mario Draghi große Einigkeit in europapolitischen Fragen. Sie versuchen, das "Qurinals-Abkommen", das zwischen Frankreich und Italien im November 2021 in Rom feierlich geschlossen wurde, mit Leben zu füllen. Der seit 2017 ausgehandelte Grundsatz-Vertrag wird oft mit dem "Elysee-Vertrag" und dem daraus entwickelten "Vertrag von Aachen" verglichen, die die deutsch-französischen Beziehungen besonders eng gemacht haben. Deutschland und Frankreich galten von jeher als Motor oder Tandem in der EU, ohne den oder das kein großes Vorhaben umzusetzen ist.
Premier Draghi, der seit 2021 eine relativ stabile Technokraten-Regierung in einer Allparteien-Koalition führt, will Italien zurück in das Zentrum der europäischen Bühne führen. Die in den vergangenen Jahren, besonders unter der populistischen "5 Sterne-Bewegung", arg gebeutelten Beziehungen zum französischen Nachbarn am Mittelmeer sollen wieder verbessert und gestärkt werden. Manche Medien in Italien und Frankreich schreiben bereits über das Duo Draghi und Macron als "Dracron". Eine Anlehnung an Wortschöpfungen wie "Merkozy", die einst das deutsch-französische Führungspaar Angela Merkel und Nicolas Sarkozy beschrieben haben.
Es ist auffällig, wie Macron und Draghi, beide gelernte Banker, ihre Vorstellungen zu Europa auch nach Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine synchronisieren. Macron schlug im Mai eine "Europäische Politische Gemeinschaft" vor, in der die Beitrittsbewerber für die EU, einschließlich der Ukraine, Georgien und Moldawien, zusammengeführt werden sollen. Diese Mitgliedschaft zweiter Klasse befürwortete Italien sofort.
Der italienische Minister für Europafragen, Vincenzo Amendola, sagte im Europaparlament, französische Vorschläge würden dazu führen, dass die Zusammenarbeit im Energiebereich und in der Außen- und Verteidigungspolitik entscheidende Schritte nach vorne machen werde. Italien unterstütze Macron ausdrücklich. "Nur durch den Zusammenhalt der EU in diesem historischen Moment können wir uns vor der Gefahr eines Krieges schützen", sagte Amendola. Italien und Frankreich sind sich auch einig, dass die EU-Verträge so geändert werden müssen, dass Mehrheitsentscheidungen in der Außenpolitik und anderen wichtigen Fragen möglich werden. Ministerpräsident Draghi spricht von einem "pragmatischen Föderalismus". Am Ende des Weges werde es Vertragsänderungen geben müssen. Mit "Mut und Zuversicht" wolle man vorangehen.
Aus Berlin, von der einen Hälfte des bisher ausschlaggebenden europäischen Motors, sind solche eindeutigen Signale nicht zu vernehmen. Zur französisch-italienischen Initiative heißt es, Vertragsänderungen seien extrem schwierig. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nannte die Vorschläge Macrons für eine "Europäischen Politische Gemeinschaft" zwar "interessant", eindeutige Zustimmung wie aus Rom kam aber nicht. Scholz erinnerte Macron bei einer gemeinsamen Pressekonferenz Anfang Mai in Berlin daran, dass man den sechs beitrittswilligen Staaten auf dem Westbalkan feste Zusagen gemacht hätte.