
DOSB-Wahl: Quo vadis, deutscher Sport?
DW
Der Deutsche Olympische Sportbund erhält eine neue Spitze. Wer auch immer es wird – sie oder er ist angesichts der vielen Probleme im deutschen Sport nicht zu beneiden.
So viel steht fest: Egal ob die frühere Weltmeisterin im Degenfechten, Claudia Bokel oder der abgetretene Präsident des Tischtennisweltverbands, Thomas Weikert an der Spitze des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) stehen wird, sie oder ihn erwartet eine Herkulesaufgabe. Der Augiasstall muss ausgemistet werden. Für alle, die nicht so bewandert in der griechischen Mythologie sind: Zahllose Rinder hatten die Ställe des Augias jahrelang verdreckt, Herkules sollten sie innerhalb eines Tages säubern, eine scheinbar unlösbare Aufgabe.
Der DOSB-Spitzenposten wird zwar nicht für einen Tag, sondern vier Jahre vergeben. Doch, um im Bild zu bleiben, auch im olympischen Stall hat sich jede Menge Mist angesammelt. Für den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) gilt dasselbe wie für seinen mitgliederstärksten Einzelverband, den Deutschen Fußball-Bund (DFB): Beide stecken in einer tiefen Krise, sportlich wie intern, und die jeweils neue Führungsperson ist angesichts der mannigfaltigen Probleme, die es zu lösen gilt, nicht zu beneiden.
Der DOSB ist die Dachorganisation des deutschen Sports und vertritt knapp 90.000 Sportvereine mit mehr als 27 Millionen Mitgliedern. Er fördert den Breitensport und steuert den Spitzensport. Um beide ist es aktuell nicht sonderlich gut bestellt. Viele Sportanlagen wie Schwimmbäder oder Sporthallen sind marode. Den Vereinen laufen die Mitglieder davon, es finden sich immer weniger Menschen, die sich ehrenamtlich für den Sport engagieren wollen. Den Vereinen gehen vor allem die jungen Mitglieder aus.
Der mangelnde Nachschub an Talenten trifft auch den Spitzensport, der weniger Erfolge verbuchen kann. So sammelten deutsche Athletinnen und Athleten in diesem Jahr bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio 37 Medaillen, davon zehn goldene. Vor knapp 30 Jahren, bei den Spielen 1992 in Barcelona waren es noch 82 Medaillen gewesen. Das deutsche Olympiateam hatte damals 33 Olympia-Siege bejubelt – fast so viele, wie 2021 Gold, Silber und Bronze zusammen.
Vor fünf Jahren, Ende 2016, hatte der DOSB die Spitzensportreform beschlossen. Aufgrund der sogenannten Potenzialanalyse - welche Sportarten haben in den nächsten Jahren die größten Medaillenchancen? - wird entschieden, wie das Geld aus Steuermitteln verteilt wird. Was als großer Wurf in der Sportförderung gedacht war, entpuppte sich jedoch als "Bürokratiemonster", wie es Ingo Weiss, der Präsident des Deutschen Basketball Bundes (DBB), formulierte. Und die Reform verfehlte ihr Ziel, mehr Erfolge und mehr Medaillen. Die Politik reagiert darauf zunehmend verstimmt. Kein Wunder angesichts der Summen, die in den Spitzensport investiert wurden: von 2017 bis 2020 insgesamt mehr als eine Milliarde Euro.