
Die Worte, die fehlen. Über Heimat und Zugehörigkeit
DW
Weil das Wissen über die Historie der Sinti und Roma in ihren Heimatländern fehlt, werden sie als Fremde wahrgenommen. Die eigene Geschichte zu erzählen, ist daher ein Akt der Identitätsfindung. Ein Essay.
Es ist schwierig für ein Volk, eine Identität zu entwickeln, wenn die Umwelt darauf generell negativ reagiert. Damit sind nicht nur die Worte gemeint, die uns beleidigen und verletzen, sondern auch jene Worte, die fehlen, so dass wir niemals etwas über unsere Geschichte, unsere Literatur und unsere Kultur hören. Ganz so, als wären wir kein Teil davon, als wären wir eine Anomalie, etwas ultimativ Fremdes. Aber sind wir das wirklich?
Einige Künstler*innen, Forscher*innen und Autor*innen aus den Communities der Sinti und Roma haben es geschafft, mit ihren Erzählungen und Recherchen einen Teil der verloren geglaubten Historie wiederzubeleben. Damit zeigen sie eine völlig andere Welt, in der sie Teil der Geschichte sind und eine Rolle einnehmen, die nichts mit den Vorurteilen über sie gemeinsam hat. Diese Welt soll hier anhand zweier Werke aus der Community greifbar gemacht werden: Das Buch "The Stopping Places" (Die Orte der Rast) des britischen Journalisten und Autors Damien Le Bas und der Film "Trapped by Law" des kosovarischen Regisseurs Sami Mustafa.
"Ich werde vielleicht endlich herausfinden, wo ich hingehöre", sagt Damien Le Bas zu Beginn seiner Reise, die sowohl zur körperlichen Herausforderung als auch zur meditativen Erfahrung für ihn wird. Er wandelt auf den Spuren und Rastplätzen seiner Vorfahren, im Besonderen jenen seiner Großmutter, die teilweise noch als Reisende lebte.
Dabei folgt er einer geographischen und einer mentalen Karte, die übereinander gelegt ein alternatives Narrativ über die Roma-Community und Großbritannien sichtbar machen, das bis in das 14. Jahrhundert zurückreicht. Diese Geschichte zu erzählen, ist für sich gesehen bereits ein Akt des Empowerments, denn es macht eine Perspektive sichtbar, die lange Zeit gefehlt hat. Eine Perspektive, die zeigt, wie tief verwurzelt die Gypsy Roma and Traveller Communities (GRT) in England tatsächlich sind.
Dennoch ist ihre Art zu leben in der Gegenwart bedroht: Ein neues Gesetz mit dem Titel "Police, Crime, Sentencing Courts Bill, Part 4", das bald beschlossen werden soll, könnte das bisher legale Reisen und Rasten nomadischer Gruppen zu einem kriminellen Akt erklären. Die Strafen würden direkt von der Polizei verhängt werden. Diese reichen von Räumungen über Beschlagnahmung von Fahrzeugen bis hin zu Geldstrafen und Gefängnis.