
Die Tränen von Kabul
Frankfurter Rundschau
Nach einigem Hin und Her darf die Afghanin Zakia Khudadadi doch in Tokio starten - es bleiben aber Fragezeichen.
Ich bin in diesem Haus eingeschlossen“, sagte Zakia Khudadadi vor zwei Wochen in einem Video, mit dem sie sich an die Welt wandte. „Ich kann es nicht verlassen, nicht mal für Einkäufe. Und meine enge Familie ist in der Stadt Herat, die jetzt komplett von den Taliban kontrolliert wird.“ Khudadadi halte sich bei entfernteren Verwandten in der Hauptstadt Kabul auf, dort fehle es an Essen. „Als eine Vertreterin afghanischer Frauen bitte ich Sie um Hilfe. Ich will bei den Paralympischen Spielen in Tokio teilnehmen. Bitte reichen Sie mir die Hand und helfen Sie mir.“ Die Botschaft hat Wirkung gezeigt. Rund eine Woche vor der Eröffnungsfeier der Paralympics am vergangenen Dienstag, und auch kurz vor Khudadadis Videoaufnahme, hatte das Afghanische Paralympische Komitee (APC) die Teilnahme am internationalen Sportevent abgesagt. Denn aus dem mittlerweile von den ultrakonservativen Taliban dominierten Land führe inmitten des Chaos kein sicherer Weg mehr nach Tokio. Nicht nur für die zwei qualifizierten Athleten – neben der Taekwondo-Kämpferin Khudadadi noch der Leichtathlet Hossein Rasouli – war das eine unglückliche Wende. Für die Organisatoren ging es um mehr als Einzelschicksale. Zakia Khudadadi sollte die erste afghanische Frau sein, die bei der größten Behindertensportveranstaltung der Welt teilnehmen würde, womit sie gerade für westlich orientierte Organisationen und Beobachter besondere Bedeutung hatte. Schließlich ist die 22-jährige ein Kind eines Afghanistans ohne die Taliban an der Macht, die 2001 mit dem Einmarsch westlicher Militärmächte verdrängt worden waren. Unter den nun erneut das Land kontrollierenden Taliban durften Frauen keinen Sport treiben. Zakia Khudadadi ist ein Gesicht des Fortschritts.More Related News