
Die Scholz-Illusion
Die Welt
Die SPD ist auf dem Weg ins Kanzleramt. Eine Sensation angesichts der jahrelangen Misere der Sozialdemokraten in ganz Europa. Alles sieht nach einem EU-weiten Comeback aus – mit einem großen Haken.
Demütigungen gab es viele. Da war etwa das Jahr 2017. Die Parti Socialiste stellte in Frankreich mit François Hollande den Präsidenten – und stürzte bei der Wahl auf sechs Prozent der Stimmen ab. Sechs Prozent, auf so viel kam im selben Jahr auch die Partei der Arbeit (PvDA) in den Niederlanden, nach 25 Prozent bei der vorherigen Wahl.
Die deutsche Schwesterpartei SPD erreichte im Herbst bei der Bundestagswahl immerhin noch 20,5 Prozent – aber auch das war ein Negativrekord für die Partei, die 20 Jahre zuvor noch bei über 40 Prozent gestanden hatte. Jahrzehntelang stellten entweder die Konservativen oder die Sozialdemokraten die meisten Regierungschefs in Europa. Nun standen plötzlich die Liberalen an der zweiten Position. Für die Sozialdemokratie war das ein Niedergang, der im 20. Jahrhundert noch undenkbar gewesen war. Bis heute stehen die Sozialdemokraten auf Platz drei dieser Statistik. Aber plötzlich beginnt der Trend wieder zum Genossen der Sozis zu werden.