
Die Schlafwandler von Erfurt
Die Welt
Der Vorfall im Februar 2020 war ein politisches Erdbeben: Mit den Stimmen der AfD wurde ein deutscher Ministerpräsident gewählt. Nun rekonstruiert ein Kenner der Verhältnisse, wie das Ereignis die Thüringer Politik überraschte – und sie bis heute belastet.
Am 5. Februar 2020, vier Wochen bevor die Corona-Epidemie Deutschland und die Welt in den Würgegriff nahm, liefen um die Mittagszeit Schockwellen durch die Bundesrepublik. Das Epizentrum lag in Erfurt, genauer gesagt im Landtag des Freistaates Thüringen. Dort war gerade der FDP-Fraktionschef Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten gewählt worden, mit den Stimmen von CDU, Liberalen – und den Abgeordneten der AfD. Martin Debeshatte das Geschehen seit dem Vormittag im Parlament beobachtet. Als die Landtagspräsidentin Birgit Keller um ca. 13.26 Uhr das Ergebnis der Wahl verkündet hatte, notierte Debes auf der Pressetribüne „Schockstarre“ in seinem Notizblock. Die aus der ganzen Republik angereisten Journalistinnen und Journalisten trauten ihren Ohren und Augen kaum. Die AfD, die unter der Führung von Björn Höcke in Thüringen zum besonders radikalen Flügel der Partei zählt, war gerade sehr wirkungsmächtig geworden – das Ergebnis eines Tricks.More Related News