
Die russischen Wegwerfmädchen
n-tv
Es ist ein tragisches Scheitern mit Ansage: Kamila Walijewa, das russische Eislauf-Wunderkind, ist am Druck der (olympischen) Welt zerbrochen. Die Kür der 15-Jährigen ist ein minutenlanges Drama. Die Reaktion ihrer knallharten Trainerin lässt nichts Gutes für das Mädchen erwarten.
Eine Umarmung ist in diesem System nicht vorgesehen. Es ist ein System des Erfolgs, der Dominanz und keines der Emotionen. Wohl selten wurde das so deutlich, wie an diesem Donnerstag. Kamila Walijewa, das russische Jahrhunderttalent auf Kufen, war unter dem Druck der (olympischen) Welt zusammengebrochen. Und das in knapp vier Minuten, die emotional kaum zu ertragen waren. Die 15-Jährige sollte um Gold, um den Olympiasieg, im Eiskunstlauf kämpfen. Aber sie kämpfte in der Kür nur mit sich - und verlor. Was für ein Drama. Und man muss, nein, man darf in diesem Moment auch nicht die Frage stellen, ob es sich richtig anfühlt, mit Kamila Walijewa Mitleid zu haben.
Mitleid ist an diesem Donnerstag das einzig zulässige Gefühl für diese Jugendliche, die eher noch ein Mädchen ist. Ja, sie ist vermutlich gedopt. Das legt die positive A-Probe nahe, die in den Tagen von Peking bekannt geworden war. Aber ist sie wirklich Täterin? Kann eine 15-Jährige, die die Welt mit ihrem magischen Zauber auf Kufen emotional gefangen nimmt, so gnadenlos und eiskalt sein? Kann sie die Welt mit ihrer Kunst anlächeln und sie hinter ihrem Rücken brutal betrügen? Kaum vorstellbar. In den nächsten Wochen wird darüber entschieden, ob und wie sie als Dopingsünderin bestraft wird. Ob dann auch die Frage beantwortet wird, wie sehr Täterin und wie viel Opfer sie ist? Wohl kaum.
Das System, das keine Umarmung kennt, keine Emotionen, es hat in Peking mit voller Härte zugeschlagen. Als Kamila Walijewa mit dem letzten Ton ihres Eis-Boleros von ihren Qualen erlöst wurde, war sie allein. Allein auf dem Eis. Allein mit all dieser Last der vergangenen Tage, der kuriosen Erklärung über Opas Glas und dem Druck der (olympischen) Welt. Niemand war da für dieses Mädchen, niemand gab ihr Halt. Keine Umarmung. Kein Trost. Schon gar keine Liebe. Stattdessen Druck. Wut. Vorwürfe. Ihre Trainerin, die knallharte Eteri Tutberidse, wollte Erklärungen. Ihr Blick: eiskalt, fast schon aggressiv. Sie wollte Erklärungen, warum Walijewa - in ihren Augen - so krass versagt hatte.