Die Parallelaktion
Süddeutsche Zeitung
Das Museum Folkwang in Essen feiert sein hundertjähriges Bestehen mit einer opulenten Schau, die zwei bedeutende Sammlungen impressionistischer Kunst erstmals zusammen präsentiert.
Alle Paraphernalien des westlichen Gentleman bot Kōjirō Matsukata auf: Im braunen, dreiteiligen Anzug, mit Stehkragen, Schlips und Pfeife posierte er 1916 für seinen Freund, den walisischen Künstler Frank Brangwyn. Die Botschaft ist klar, hier signalisiert jemand seine Vorliebe für westliche Kultur. Bereits 13 Jahre zuvor hatte sich Karl Ernst Osthaus von der Frühmodernistin Ida Gerhardi porträtieren lassen, die wie er aus dem südwestfälischen Hagen stammte. In Frack und seidener Weste steht der Bankierssohn in seinem Arbeitszimmer. Das griechische Väschen vor ihm auf dem Tisch, die Bücher, die kleinen Gemälde, mit denen er sich hier umgibt, sie alle deuten die Hauptinteressen dieses schwerreichen Kunsthistorikers an.
Derzeit hängen beide Porträts nebeneinander im ersten Saal der Ausstellung "Renoir, Monet, Gaugin. Bilder einer fließenden Welt", die den Auftakt der Feierlichkeiten zum hundertjährigen Bestehen des Folkwang-Museums in Essen bildet. Eine angemessen gigantische Schau mit 120 Gemälden, Plastiken, japanischen Drucken sowie eigens in Auftrag gegebenen zeitgenössischen Installationen zu Beginn des Jubiläumsjahres. Und eine angemessene, wenn auch temporäre Nachbarschaft zweier bedeutender, einander über alle kulturellen Grenzen hinweg verblüffend ähnlicher Mäzene.
Im Leben, so könnte man sagen, waren Matsukata und Osthaus wie zwei Schiffe mit ähnlicher Fracht, die auf hoher See aneinander vorbeifuhren. Begegnet sind sich die beiden Sammler nie, gewusst haben sie wohl voneinander. Wie könnte es auch anders sein, wenn man die gleichen hochspezifischen und kostspieligen Interessen pflegt? Matsukata, Jahrgang 1865, war Präsident der Schifffahrtslinie Kawasaki Kisen Kaisha, auf deren Linien der Austausch Japans mit dem Westen vorangetrieben wurde. Die Firma baute zudem selbst Schiffe und Flugzeuge. Osthaus, neun Jahre jünger, feingeistiger Sohn eines Hagener Bankiers und einer Industriellentochter, erbte 1896 Millionen von seinem Großvater, einem Schraubenfabrikanten.
Vincent van Gogh: "Portrait d'Armand Roulin" (1888).
Beide Männer hatten, zumindest zeitweise, Geld im Überfluss. Beide wollten dieses Geld in Kunst stecken, vor allem zeitgenössische, westliche Kunst. Aus Matsukatas Privatsammlung entstand 1959 das National Museum Of Western Art in Tokio. Osthaus sammelte gleich für ein selbstgegründetes Museum, das 1902 in seiner Geburtsstadt Hagen eröffnet wurde. Das Gebäude im Stil der Neo-Renaissance stammte vom Berliner Architekten Carl Gérard, doch mit der Innenausstattung beauftragte Osthaus den Belgier Henry van de Velde. Bis heute, auch ohne die üppige Sammlung, vermittelt das, was von dessen zwischen Jugendstil und Art Nouveau oszillierendem Interieur übrig geblieben ist, einen Eindruck unvergleichlicher ästhetischer Geschlossenheit.