Die neue Münchner Freiheit
Süddeutsche Zeitung
Lokale dürfen nun auch nach 22 Uhr offen bleiben. Ein Streifzug durch das nächtliche München, wo wieder mehr Zeit für Flaschenbier und Fünf-Gänge-Menüs ist.
Münchens Nachtleben ist wieder da. Oder sagen wir: Es funktioniert wieder viel entspannter, weil nicht um 22 Uhr die Lichter ausgehen, wie noch bis Mitte vergangener Woche. Zwar gilt in der Gastronomie weiter 2G und eine Maskenpflicht, sobald man vom Platz aufsteht, und reine Schankwirtschaften sind noch immer geschlossen. Aber für die Lokale, die öffnen dürfen, ist die Corona-Sperrzeitregel aufgehoben, und München hat das gleich am ersten Wochenende so richtig genossen. Ob zwischen Himmel und Erde in einem alten Dampfschiff, ob im Gourmet-Restaurant oder im irischen Pub, ob Gäste oder Gastgeber - alle feiern die neue Freiheit. Ein kleiner Streifzug durchs gastronomische Nachtleben am Freitag- und Samstagabend.
Tätowierer Harry Beck sitzt in der Alten Utting gleich neben der Theke im Schiffsinneren auf einer Bank, lässt sich den Rücken von einem Heizkörper wärmen und krault seinen Hund Franzi. "Alles allgemein entspannter, man muss kein Pressbier mehr trinken", wenn die Sperrzeit naht, scherzt er. Am Tisch daneben knutscht ein älteres Paar immer leidenschaftlicher, es ist Freitagabend, 23 Uhr. Und hinter der Theke kommen die zwei jungen Frauen kaum mehr nach, Flaschenbier in die Kühlschubladen zu füllen. Macht aber nichts, bei Minusgraden kommt der Nachschub eh gut gekühlt von draußen.
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Edo Abitor, Harrys Kumpel und Gesprächspartner, freut sich für die Gastronomen. Er kennt welche und fühlt mit ihnen. Es sei nicht so lustig gewesen, um 21.45 Uhr immer schon alle Gäste rauszuwerfen, weil draußen die Polizei lauere. 5000 Euro Bußgeld brauche man in Corona-Zeiten nicht auch noch. Aber das sei ja nun vorbei, und für die Bedienungen bedeute die Normalisierung auch wieder "mehr Trinkgeld", hofft Abitor.
"Hi, one Helles", bestellt das junge, internationale Publikum drinnen in der Alten Utting, Essen von der "afrikanischen Zauberküche" holt es sich draußen bei Sarjo Darboe am Essensstand: selbstgemachte vegane Kürbisfalafel, frittierte Gemüserollen, süße afrikanische Krapfen und Kochbananen-Dessert. Darboe strahlt, die Normalisierung gibt ihr Hoffnung nach der harten Corona-Zeit. Läuft wieder. Sie frittiert heute länger als vorgesehen.