Die Linke, die den US-Präsidenten verschmäht
n-tv
Über Jahrzehnte hieß es, eine einflussreiche Linke sei in den USA nicht möglich. Das hat sich geändert. Verantwortlich ist das Versagen Ex-Präsident Obamas und die Polarisierung unter dessen Nachfolger Trump, sagt Autor Lukas Hermsmeier. Auch Biden wird sehr kritisch gesehen.
Joe Biden trat als Präsident an, um die Gesellschaft der Vereinigten Staaten mit sich zu versöhnen. Als Politiker der Mitte mit jahrzehntelanger Erfahrung im Senat. Als Vermittler der politischen Lager. Doch die Gesellschaft der USA hat sich seit der Jahrtausendwende radikalisiert. Die politische Dominanz der marktliberalen Mitte wackelt deutlich. Breite Konsenspolitik ist schwierig bis unmöglich geworden. Für Biden wird das immer mehr zum unüberwindbaren Problem. Wenn nichts Außergewöhnliches geschieht, wird der Demokrat mit seinen zentralen Vorhaben scheitern und damit auch seine Präsidentschaft ernüchternd beenden.
Angesichts der vielen Hoffnungen, die sich mit dem Demokraten verbunden hatten, könnte man auch schreiben: enttäuschend. Dies gilt insbesondere für den progressiven Flügel der Partei. Es gibt kein umfassendes Klimaprogramm, obwohl die USA einer der größten globalen Emittenten von Treibhausgasen sind. Eine allgemeine, für alle erschwingliche Krankenversicherung ist in den Wahlkampfkisten verschwunden, obwohl sich die breite Mehrheit der US-Amerikaner eine wünscht. Der landesweite Mindestlohn ist weiterhin prekär. Das Wahlrecht benachteiligt wie eh und je einkommensschwächere Bevölkerungsschichten. Und Mitte April erlaubte die US-Regierung Fracking auf bundesstaatlichen Territorien. Biden hatte das Gegenteil versprochen.
Dass all dies für den US-Präsidenten ein Problem ist, er im Dauerumfragetief fest steckt, das hat auch mit einer außerparlamentarischen politischen Strömung zu tun. Es ist etwas von unten gewachsen in den USA. "In den vergangenen Jahren hat sich eine Linke entwickelt", sagt der Journalist und Autor Lukas Hermsmeier, der darüber das Buch "Uprising: Amerikas neue Linke" geschrieben hat. "Und gleichzeitig hat sich das Land nach rechts bewegt, sich die Republikanische Partei radikalisiert". Beides ist parallel geschehen, hat sich mitunter bedingt. Die neue Linke mobilisierte und sammelte sich über Jahre hinter dem unabhängigen Senator Bernie Sanders. Zur Strömung gehören bekannte Bewegungen: Black Lives Matter, die Klimaaktivisten des Sunrise Movement, die Democratic Socialists of America. Sie wählten Biden, um weitere Trump-Jahre zu verhindern.