Die Kneipe unter Verdacht
Die Welt
Die Kneipe war seit jeher ein Ort der Kritik und der Zusammenkunft. Seit Corona aber gelten ihre Gäste als Hygiene-Rüpel, abgehängte Kleinbürger und prospektive AfD-Wähler. Etwas Wertvolles wird mit der Kneipe verschwinden, wenn der neue Tugendterror ihr den Garaus macht.
Sich zur Bekräftigung der eigenen Meinung auf den Stammtisch zu berufen, mag in den 1980er-Jahren noch verfangen haben, wer es aber heute ernsthaft tut, diskreditiert sich. Stammkneipen gelten dem grünen Bürgertum und jenen, die sich bei ihm anbiedern, als versiffte Versammlungsstätten von Hinterwäldlern, abgehängten Kleinbürgern und prospektiven AfD-Wählern, wo Ressentiment und Dummheit das Wort führen. Dabei ist es noch gar nicht lange her, dass die Kneipe gerade für Angehörige linker Milieus ein wichtiger Ort von Zusammenkunft und Streit gewesen ist.