Die Inkarnation des Tellerwäschers
Süddeutsche Zeitung
In der Serie A sind deutsche Trainer und Manager Raritäten. Doch nun wollen Alexander Blessin und Johannes Spors den CFC Genua retten - über bemerkenswerte Karrierewege im Fußballgeschäft.
Kommt man der Bitte des früheren Bayern-Torwarts Jean-Marie Pfaff nach und überbringt dem Fußballtrainer Alexander Blessin dessen Grüße, freut dieser sich. Und Blessin lacht auf, als er erfährt, dass Pfaff ihn einen "Hafenarbeiter" nennt, weil Blessin seinen Arbeitsplatz vom belgischen Ostende an der Nordsee gerade ans Mittelmeer nach Genua verlegt hat. "Wenn's nicht läuft, soll er sich ein Schiff bauen. Dann kann er wegsegeln", hatte Pfaff am Telefon gescherzt. Wobei der ehemalige belgische Nationalspieler hinterherschickte, dass es so weit nicht kommen werde: "Der Blessin wird das schon gut machen", als neuer Trainer des CFC Genua. Pfaff sagt das als Kenner des belgischen Fußballs, der Blessin rund anderthalb Jahre bei Ostende beobachten konnte.
Erst vor wenigen Tagen hat Blessin in Genua angeheuert, beim Vorletzten der Serie A. Er ist erst der zweite deutsche Trainer bei einem italienischen Erstligisten - nach Rudi Völler bei der AS Roma. Ein Spiel hat Blessin bereits als Genua-Trainer hinter sich, gegen Udinese Calcio. Es endete 0:0, und die Gazzetta dello Sport sah da so viel "Entschlossenheit, Aggressivität und Angriffswillen", dass sie sich ein Wortspiel zurechtlegte: Fügt man ein "g" an, wird aus Blessin das englische "Blessing", ein Segen. Was nur die Zeit weisen kann. "Wir brauchen Punkte. Wir brauchen Ergebnisse", sagt Blessin, das rettende Ufer ist gerade fünf Zähler weg.
Andererseits: Blessin verströmt durch die Telefonleitung einen Enthusiasmus, der ansteckender ist als Omikron. Nur zwei Trainingseinheiten hatte er mit seiner neuen Mannschaft vor dem Spiel gegen Udine absolvieren können; er habe sich vor allem auf die Arbeit gegen den Ball konzentriert - lediglich Schlusslicht Salernitana hat in der laufenden Saison mehr Gegentore kassiert. Das Spiel mit Ball konnte in den Sitzungen gerade mal touchiert werden. Und siehe: Bei Blessins Debüt spielte Genua nicht nur zu null. "Wir hatten 10:2 Torschüsse, fünf sehr gute Chancen, davon drei Hochkaräter", berichtet der Trainer. "Ich konnte der Mannschaft allenfalls in Sachen Chancenverwertung etwas vorwerfen."
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Die Gazzetta sah es ihm nach; sie gab ihm sechs von zehn möglichen Punkten, denn: "Nach zwei Trainingseinheiten hätte nicht mal Houdini ein Wunder vollbringen können." Auch die vornehme La Repubblica jauchzte: "Blessin transformiert Genua." Der Blessin, von dem kaum jemand etwas wusste, als er als nahezu perfekter Anonymus nach Italien ging: "Ich kann damit umgehen", sagt er. Die eigentliche Frage, die in der Branche kreist, ist eine andere, und Blessin sagt, dass er sie wahrnehme: "Warum hat den eigentlich keiner auf dem Schirm gehabt?"