Die Gleichberechtigung kommt voran, ist aber noch lange nicht am Ziel
Frankfurter Rundschau
Mehr Frauen im Bundestag und wohl bald im Kabinett: Nun gilt es, den grundgesetzlichen Auftrag zur Gleichberechtigung effektiv umzusetzen. Der Leitartikel.
Politik ist eine viel zu ernste Sache, als dass man sie alleine den Männern überlassen könnte. Ein wirklich schöner Satz! Er stammt von Käte Strobel, SPD-Politikerin und einzige Frau im Kabinett von Willy Brandt. Damals, Ende der 1960er Jahre, übte die zweite Frauenbewegung gerade erst einen zarten Aufschrei, und Männer glaubten noch an ihre gottgegebene Vormachtstellung in Wirtschaft, Gesellschaft und Ehebett. Es waren patriarchale Zeiten.
Lohnt es sich, diesen Satz gut fünfzig Jahre später noch einmal hervorzukramen? Na, und ob. Die Aufforderung an Frauen, sich politisch einzumischen, hat sich ja keineswegs erledigt – selbst wenn es hierzulande nicht mehr patriarchal, doch blöderweise noch immer männerdominiert zugeht. Was unter anderem bedeutet, dass in der Corona-Pandemie zwar nicht die Schulen, aber die Fußballstadien geöffnet wurden. Dass lieber Straßen gebaut werden statt Kitas. Dass Frauen in medizinischen Studien unterrepräsentiert und deshalb gesundheitlich schlechter versorgt sind. Um nur einige Unverfrorenheiten zu nennen.
Wären die Verhältnisse andere, hätte die frischgekürte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas bei ihrer Wahl nicht von einer „Zeitenwende“ sprechen müssen. Schließlich besteht die Wende zunächst nur darin, dass es tatsächlich mal eine Frau in dieses hohe politische Amt geschafft hat. Beschämend genug ist sie erst die dritte seit Gründung der Republik. Doch bereits bei der Amtsübergabe wurden der neuen Präsidentin, dem Parlament und dem Rest des Landes klar gemacht, wie stark die männlichen Beharrungskräfte nach wie vor sind. Durch Wolfgang Schäuble. Dem scheidenden Vorsitzenden des Bundestags war es in seiner Abschiedsrede ein Anliegen, den Unterschied zwischen Repräsentation und Repräsentativität herauszustreichen.