Die dunkle Seite des Sports: Sexualisierte Gewalt
DW
Eine neue Studie bringt erschütternde Fälle sexueller Gewalt im deutschen Sport ans Licht. Das deckt sich mit Erfahrungen aus anderen Ländern - von den USA bis Japan. Als Reaktion ist ein schwieriger Spagat gefordert.
Als sie im Trainingslager krank wird und mit dem Trainer alleine ist, erlebt die junge Fußballerin Marina* ein Martyrium: "Übergriffe jeglicher Art fingen dort an, Vergewaltigungen, Fesselungen und was man sich alles so vorstellen kann." Allzu häufig bleiben solche Taten ohne Folgen, erzählt die Sportgymnastin Senta*: "Wenn dir als Kind nicht geholfen wird, lernst du zu schweigen."
Schilderungen wie diese hat ein Forscherteam um die Sportsoziologin Bettina Rulofs für die bisher größte Studie über sexualisierte Gewalt im deutschen Sport zusammengetragen. 72 Betroffene haben berichtet. "Ein Blick auf die dunkle Seite" sei das, sagt Sozialpsychologe Heiner Keupp, Mitglied der Aufarbeitungskommission, in deren Auftrag die Studie entstand.
Was muss sich im Sport ändern? "Grundlegendes", antwortet Rulofs der DW. Die Professorin an der Deutschen Sporthochschule in Köln fordert einen Kulturwandel: "Es kann nicht sein, dass wir sportlichen Erfolg akzeptieren, wenn er in einem Klima von Druck, Missbrauch und Gewalt entsteht." Im Mittelpunkt ihrer Studie steht folgerichtig auch nicht, herauszufinden, wie viele Übergriffe es gibt, sondern mehr über die Faktoren zu erfahren, die solche Übergriffe speziell im Sport begünstigen.
Dabei zeigt sich: Sport ist nicht mehr und nicht weniger betroffen als andere gesellschaftliche Gruppen. Und es macht keinen Unterschied, ob es der Schwimmverein um die Ecke oder der nationale Nachwuchs-Elitekader ist - die Fälle ähneln sich. Häufig nutzen Trainer oder Betreuer das Vertrauen aus, das Machtgefälle und die Möglichkeit, Kindern und Jugendlichen im Sport auch körperlich nahe kommen zu können.
Dieses Muster gilt weltweit, auch bei prominenten Fällen wie dem Skandal um sexualisierte Gewalt im US-Turnsport, zu dessen Opfern Starturnerin Simone Biles zählte, oder um Jan Hempel. Der deutsche Ex-Wasserspringer hatte kürzlich - lange nach seinem Karriereende - öffentlich gemacht, dass er jahrelang von seinem Trainer sexuell missbraucht worden war.