
Die 75. Internationalen Filmfestspiele Cannes im Zeichen des Kriegs
DW
Das Filmfestival von Cannes ist zurück. Eröffnet wurde es von Wolodymyr Selenskyj. In einer Videoansprache erinnerte er an die politische Verantwortung des Kinos. Schwierige Themen an der Croisette.
Für Glamour sorgen und trotzdem politisch sein, das war immer schon der Anspruch des wichtigsten europäischen Filmfestivals in Cannes. Doch in Zeiten eines Krieges in Europa sorgt der Zusammenhang für Konfliktpotential. Der künstlerische Leiter Thierry Frémaux hatte schon früh angekündigt, bei der 75. Jubiläumsausgabe keine offiziellen russischen Delegationen empfangen zu wollen. Russische Filmemacher ins Programm zu nehmen, hatte sich Frémaux allerdings vorbehalten.
Der russische Filmemacher Kirill Serebrennikov ist nun mit seinem Film "Tschaikowskis Frau" zum Wettbewerb eingeladen worden. Er habe keine staatliche russische Förderung erhalten, argumentierte Frémaux. Serebrennikov ist zum dritten Mal in Cannes. Der Russe, der in seinem Heimatland zwei Jahre lang unter Hausarrest stand, lebt mittlerweile in Deutschland. Der Film erzählt eine biografische Episode aus dem Leben des weltberühmten russischen Komponisten Peter Tschaikowski, der aus Angst, sich als homosexuell zu outen, eine in ihn verliebte junge Frau heiratete - und sie mit in eine Tragödie riss.
Bei der Eröffnungsfeier am Dienstagabend wurde die Videoansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit stehenden Ovationen begrüßt. Seine Botschaft war eindrücklich: "Am Ende wird der Hass verschwinden und die Diktatoren werden sterben", sagte er darin. Zudem erinnerte er an die Macht des Kinos während des Zweiten Weltkriegs, indem er auf den Film "Der große Diktator" verwies, in dem Charlie Chaplin Adolf Hitler verspottete. "Wir brauchen einen neuen Chaplin, um heute zu beweisen, dass das Kino nicht stumm ist", sagte Selenskyj. "Wird das Kino schweigen, oder wird es sich zu Wort melden? Kann sich das Kino aus der Sache heraushalten?", fragte er, und erhielt für seinen Auftritt am Ende stehenden Applaus.
Im Wettbewerb der 75. Filmfestspiele konkurriert "Tschaikowskis Frau" mit 20 weiteren Filmen, nur vier davon unter der Regie von Frauen. Sie sehe noch keine Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern und Minderheiten in der Filmindustrie, sagte die Schauspielerin und Regisseurin Rebecca Hall, die in diesem Jahr als Mitglied der Jury über die Vergabe der Goldenen Palme mitentscheidet.
Oscar-Preisträger Forest Whitaker, der in Cannes den von ihm produzierten Film "For the Sake of Peace" vorstellt, sagte, für mehr Diversität müsse für die Umsetzung entsprechender Themen Geld eingesammelt werden. In seinem Film versucht eine junge Frau im Südsudan, Frieden zwischen verfeindeten Gruppen herzustellen. Whitaker erhält in Cannes die Goldene Ehrenpalme.