Die ökologische Spiritualität des Christentums
DW
Was im Blick auf die Klimakrise viel zu wenig in den Fokus gerät ist, dass sie in ihrer Wurzel eine spirituelle Krise ist, eine Krise unseres Verhältnisses zur Wirklichkeit und unserer inneren Motivation.
Wenn man mich nach der heutigen Relevanz des Christentums fragt, kommt mir angesichts der Klimakrise seine ökologische Spiritualität in den Sinn. Das mag zunächst irritieren, ist doch kaum ein Vers der Bibel so umstritten - aber auch von seiner Aussageabsicht her auch so missverstanden - wie Gen 1,28: „Unterwerft euch die Erde und herrscht über die Fische des Meeres, die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen.“
Tatsächlich sind die beiden hebräischen Verben kabasch und radah im Sinne von herrschen und unterwerfen zu verstehen, allerdings ist hier das Verhältnis Gottes zur Natur gemeint, an dem der Mensch bloß Anteil bekommt. Er herrscht nicht autonom oder gar autokratisch, sondern segnend und erhaltend über das, was Gott lediglich der Sorge des Menschen anvertraut hat. Er ist dazu gerufen, so immer mehr Gottes Ebenbild zu werden. Das Verb radah beschreibt biblisch das Verhältnis eines Hirten zu seiner Herde. Dieser leitet zwar die Herde, steht aber zugleich in engster Lebensgemeinschaft mit ihr und kann nur aus diesem Gespür heraus richtig entscheiden. Herrschaft impliziert echte Zuwendung.