
Deutschland verliert wirtschaftliche Potenz
DW
Gerade mal 0,3 Prozent Wachstum sagen führende Wirtschaftsforschungsinstitute der deutschen Wirtschaft für 2023 voraus. Das ist bescheiden, dürfte in Zukunft aber die Regel werden.
Der Winter war mild, der Energieverbrauch geringer als befürchtet. Die erwartete Rezession bleibt absehbar aus, statt dessen gibt esein kleines Konjukturplus von 0,3 Prozent. "Der konjunkturelle Rückschlag im Winterhalbjahr 2022/2023 dürfte glimpflicher ausgefallen sein als im Herbst befürchtet", korrigiert Timo Wollmershäuser, Professor am Ifo Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München, die Prognose vom vergangenen Herbst.
Das Ifo-Institut gehört zur Gruppe vier führender deutscher Wirtschaftsforschungsinstitute, die zweimal pro Jahr im Auftrag der Bundesregierung ein Gutachten erstellen. In diesem Frühjahr ist auch ein Forschungsinstitut aus Österreich mit an Bord. Die Zahlen, die sie jeweils errechnen, sind für die Steuerschätzung und die Haushaltsaufstellung der Bundesregierung wichtig.
Auch wenn die Auftragsbücher der Unternehmen voll waren, die Rahmenbedingungen machten es nicht leicht. "Anhaltende Lieferschwierigkeiten bei Vorprodukten, starke Turbulenzen mit extremen Preisspitzen an den Energiemärkten sowie ein Mangel an Arbeitskräften auch wegen der außergewöhnlich hohen Krankenstände reduzierten die Produktionsmöglichkeiten der deutschen Wirtschaft und verhinderten einen kräftigeren Anstieg des Inlandsproduktes", zählt Wollmershäuser auf.
Für 2024 gehen die Institute von einem Wachstum von 1,5 Prozent aus. Sicher ist das nicht, denn geopolitische Spannungen und kalte Temperaturen könnten jederzeit wieder Preissprünge auslösen. "Die Gefahr einer Mangellage im kommenden Winter besteht immer noch", so Wollmershäuser. Wenig rosig beurteilt er auch die mittelfristigen Aussichten. "Nach unseren Schätzungen wird die durchschnittliche Wachstumsrate der deutschen Wirtschaft gegen Ende des Jahrzehnts nur noch bei etwa einem halben Prozent liegen."
Damit dürfte sich manifestieren, dass die fetten Jahre in Deutschland absehbar vorbei sind. Das hat weniger mit den Folgen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs zu tun. Die alternde Gesellschaft, zu wenige Arbeitskräfte und vor allem der Abschied von Gas, Öl und Kohle, der zunächst höhere Energiepreise nach sich zieht, setzen Deutschland zu.