Deutschland - ein identitätspolitisches Sommermärchen
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Unterschiede? Gibt es nicht in der Nationalmannschaft! Denn: "Wir verfolgen alle ein Ziel." Leicht gesagt, wenn man als Millionär in einer von Bürgergeldempfängern freien Blase in München-Bogenhausen und nicht in Berlin-Neukölln lebt.
Der Mensch soll oder muss Prioritäten setzen, heißt es. So tat ich es, als Deutschland sich aufmachte, Ungarn, die einstige Weltmacht an der Seite Österreichs, vernichtend zu schlagen. Ich war während der 90 Minuten joggen, weil ich den Grunewald an den Ufern von Schlachtensee und Krumme Lanke einmal in Einsamkeit erleben, egoistischer formuliert: für mich allein haben wollte. Was beinahe gelang, wären da nicht eine Dame mit zwei großen Hunden, ein Radfahrer und ein anderer Waldläufer gewesen, die wohl dasselbe im Sinn hatten wie ich.
So kannte ich das Ergebnis des oben erwähnten Ringens um die fußballerische Vorherrschaft in Europa nicht, als ich nach Hause fuhr, und versuchte, es anhand der Zahl der Deutschland-Fahnen und -Fähnchen, von Geräuschen und Gesichtern auszumachen.
Doch nur ein einziges Auto führte Schwarz-Rot-Gold mit sich, niemand hupte, und die Kneipen, die ich passierte, waren offenbar nur von Ungarn oder Desinteressierten bevölkert. Die Gäste schauten weder glücklich noch zuversichtlich in die Welt, sondern verzagt und verdrossen, was so gar nicht zum "Hauch von Sommermärchen" passen wollte, von dem überall zu lesen war und ist.