Desmond Tutu ist tot: Das Gewissen der Welt stirbt an Weihnachten
Frankfurter Rundschau
Als Vorkämpfer gegen die Apartheid und mahnende Stimme der Weltpolitik bleibt Kirchenmann und Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu in Erinnerung. Ein Nachruf von Johannes Dieterich.
Kapstadt - Die Luft ist eisig, als sich nach Einbruch der Dunkelheit mehr als 50 000 Menschen aus aller Herren Länder im Orlando-Stadium des Johannesburger Townships Soweto einfinden – dermaßen kalt, dass beim Auftaktkonzert der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika im April 2010 auch die Stimmung einzufrieren drohte. Bis ein untersetzter Mann mit Pudelmütze und einem über den Wollpullover gezogenen Trikot der heimischen Nationalmannschaft auf die Bühne springt, zur Musik die Hüften schwenkt und „Juhu!“ ins Mikrophon kreischt.
Gleich werde er die Namen der beiden Teams bekannt geben, die in vier Wochen ins Finale einziehen, scherzt der drollige Redner, den Eingeweihte als Erzbischof Desmond Tutu erkennen. Doch erst einmal wolle er alle in ihrer Heimat willkommen heißen: „Schließlich kommen wir alle aus Afrika.“ Dann bedankt sich der aufgekratzte Mann noch bei der ganzen Welt dafür, dass „ihr uns dabei geholfen habt, aus einer hässlichen Raupe ein wunderschöner Schmetterling zu werden“. Und die Menge antwortet im Sprechchor: „Tutu, Tutu, Tutu“. Soeben hat der Gottesmann den ersten und wohl auch schönsten Treffer des Turniers erzielt.
Keiner verstand es besser, aus einer bloßen Begebenheit ein denkwürdiges Erlebnis zu machen. Instinktiv fand der charismatische Kirchenmann den richtigen Ton und die passenden Worte, um einem „Event“ seine spirituelle Bedeutung zu entlocken: Seine gläubigen Freunde sahen den Heiligen Geist am Werk.