Desaster bei der Gebäudesanierung
Süddeutsche Zeitung
Der Bund zieht die Reißleine bei der Förderung - weil zu viele sie wollten. Höchste Zeit, mal gründlich Kosten und Nutzen der Programme zu wägen.
Was menschlich ist, muss im Ergebnis noch lange nicht gut sein. Menschlich ist, sich noch schnell Fördermittel zu sichern, wenn deren Ende naht. Schlecht ist, wenn auf diese Weise so viele Menschen eine Förderung beanspruchen, dass die Gemeinschaft es nicht mehr stemmen kann. Das ist bei den Fördermitteln für sogenannte Effizienzhäuser so geschehen. Die sollten, zumindest zum Teil, Ende dieses Monats auslaufen. Binnen knapp drei Monaten gingen Anträge über 20 Milliarden Euro ein. Und nun, eine Woche vor Ende der Frist, hat der Bund alle Förderung ausgesetzt. Es ist ein Desaster mit Ansage.
Und das für alle Beteiligten. Für die Antragsteller, die nun womöglich nicht mehr in den Genuss einer Förderung kommen, die Tausende vor ihnen erhalten haben. Für die neue Bundesregierung, die als eine ihrer ersten Amtshandlungen in Sachen Klimaschutz das Vertrauen in staatliche Zusagen erschüttert. Und für all jene, die ältere Gebäude energetisch sanieren wollten, aber nun mit in den Strudel des Förderstopps geraten. Mag sein, dass der Bundesregierung angesichts der vielen Anträge nichts blieb, als die Reißleine zu ziehen. Aber die Folgen reichen weit.
Wie aus jedem Desaster lässt sich auch aus diesem lernen. Allein auf 14 Milliarden Euro beliefen sich die Anträge für "Effizienzhäuser 55", auf weitere vier Milliarden die für die noch klimafreundlicheren "Effizienzhäuser 40". Beide Bauweisen erfreuen sich also schon jetzt gewisser Beliebtheit - was dafür spräche, sie gleich zum Standard zu erheben. Nicht nur der Staat würde sich so einiges sparen. Angesichts hoher Energiekosten kann sich glücklich schätzen, wer in einem effizienten Haus wohnt. Fördert der Staat aber mit vielen Milliarden Investitionen, die ohnehin getätigt worden wären, dann erzeugt er nur Mitnahmeeffekte auf Kosten der Allgemeinheit.
Das aber ist symptomatisch für alle bisherigen Anreize rund um den Klimaschutz in Gebäuden. Buchstäblich die größte offene Klima-Baustelle einer jeden Bundesregierung liegt hier, denn rund ein Drittel aller klimaschädlichen Emissionen entfallen auf den Gebäudesektor, und die Mehrzahl der Häuser in diesem Land ist Lichtjahre von heutigen Standards entfernt. Doch Deutschland lässt sich nicht mal eben neu bauen, und obendrein beißt sich der Wunsch nach möglichst klimafreundlichen Gebäuden mit dem nach viel bezahlbarem Wohnraum: je höher der Standard, desto anspruchsvoller und teurer der Bau.
Die Politik bedient sich deshalb seit vielen Jahren eines gängigen Instruments: der Gießkanne. Großzügig verteilte sie Mittel sowohl für die Sanierung als auch für den Neubau. So musste sie sich mit niemandem anlegen, denn Standards beim Bau - und mehr noch im Bestand - sind unpopulär. Bezogen auf die Energieeffizienz war das nicht sonderlich effizient. Bezogen auf die Wählergunst aber schon. Diese Methode ist nun an ihre Grenzen gestoßen.