Der Westen ist abgelenkt. Fühlt Kim sich ermutigt für einen Atomwaffentest?
Die Welt
Kurz vor einem Machtwechsel in Seoul nehmen die Spannungen mit dem feindlichen Nachbarn zu. Der neue Präsident Yoon kündigt eine härtere Haltung gegenüber Nordkorea an – und Kim Jong-un den ersten Atomwaffentest seit Jahren. Die drohende Gefahr ist auch ein Vermächtnis inkonsequenter US-Politik.
Ein Atombombentest am „Tag der Sonne“ – das klingt widersprüchlich. Nicht jedoch in Nordkorea. Denn an diesem Tag, dem 15. April, jährt sich der Geburtstag des „ewigen Präsidenten“ des Landes, Kim Il-sung. Der verstorbene Großvater Kim Jong-uns wäre am Freitag 110 Jahre alt geworden. Nordkorea nimmt dies zum Anlass, um erstmals seit vier Jahren Atomwaffen zu testen, vermuten amerikanische und südkoreanische Experten. Dies soll auch Südkorea abschrecken, wo mit Yoon Suk-yeol bald ein neuer Präsident sein Amt antritt, der dem Norden bereits im Vorfeld droht.
Der Konflikt zwischen Süd- und Nordkorea spitzt nach Jahren relativer Ruhe wieder zu. Nordkorea feuerte Ende März mutmaßlich das erste Mal seit 2017 eine Interkontinentalrakete ab. Seoul reagierte kurz darauf mit einem eigenen Raketentest – eine Machtdemonstration, wenige Wochen bevor der neue konservative Präsident die Amtsgeschäfte übernimmt. Yoon kündigte eine härtere Haltung gegenüber dem „Hauptfeind“ seines Landes an, als die Bevölkerung vom scheidenden liberalen Präsidenten Moon Jae-in gewohnt ist. Die Schwester Kim Jong-Uns bezeichnete den südkoreanischen Verteidigungsminister daraufhin als „Dreck“. Droht der Konflikt unter der neuen Regierung nun zu eskalieren, während im Westen alle Aufmerksamkeit auf den Krieg in der Ukraine berichtet ist?