Der Wahn kultureller Reinheit
Die Welt
Vor 30 Jahren begann der Jugoslawienkrieg. Das Tagebuch des bosnischen Schriftstellers Dzevad Karahasan schildert, wie die Zeit damals war. Wie Sniper die Stadt terrorisierten. Und welches deutsche Lieblingsbuch er durch Granaten für immer verlor.
Als im Sommer vor dreißig Jahren der sogenannte Jugoslawienkrieg begann, schaute man in Westeuropa vor allem auf Slowenien, das gerade dabei war, aus dem maroden, serbisch-nationalistisch dominierten „Vielvölkerstaat“ auszuscheren. Vom 26. Juni bis zum 7. Juli dauerte der „10-Tage-Krieg“ um die Unabhängigkeit Sloweniens. Einige der Truppenteile, die damals auf Befehl Belgrads in Marsch gesetzt wurden, kamen aus Sarajevo. Es waren damals jedoch nicht nur Muslime, Juden und Katholiken, sondern auch serbische Orthodoxe und zahllose Säkulare, die ihre seit jeher multiethnische bosnische Hauptstadt infam missbraucht sahen von jener „Jugoslawischen Volksarmee“, deren Name als ein höhnischer Euphemismus wahrgenommen wurde. Der Schriftsteller Dzevad Karahasan, Jahrgang 1953 und seit Langem in Sarajevo lebend, beobachtete in jener Zeit eine Truppenverlegung auch im Rhetorischen.More Related News