
Der tragische Loser, in dem sich jeder wiederfand
Die Welt
James Michael Tyler war keiner der „Friends“, kein Teil der verschworenen Clique, die über zehn Jahre Comedy-Geschichte schrieb. Als „Gunther“ war er der tragische Loser. Doch man muss im Leben keine Hauptrolle spielen, um tiefe Spuren zu hinterlassen.
Man muss im Leben keine Hauptrolle spielen, um tiefe Spuren zu hinterlassen. James Michael Tyler wusste das. Er, der verschrobene Kellner Gunther aus der 90er-Jahre Serie Friends, die so wegweisend war für alle nachfolgenden Comedy-Serien, für die Mode dieser Zeit, das Selbstverständnis. Die schon Mitte der 1990er Jahre zeigte: lesbisch sein ist nicht schlimm, ist nicht cool, ist einfach ganz normal. Ein damals neuer Sound in einem vielerorts prüden Land. Gunther war keiner der Helden dieser Serie. War nicht cool, hübsch, jung. Wollte dazugehören, wanzte sich ran an die „Friends“, war sogar heimlich in die schöne Rachel (Jennifer Aniston) verliebt – und wurde doch immer und überall links liegen gelassen.
Diese Rolle so zu verkörpern, dass Gunther eben doch (jetzt kommt das furchtbarste Wort der 90er) „Kultstatus“ erreichte, also bewegte und Bedeutung hatte, weit über die für die Rolle vorgesehene Aufmerksamkeit hinaus, das war das Verdienst von James Michael Tyler. Die Selbstironie, der kurze, ganz kurze Anflug von Enttäuschung auf seinem Gesicht, wenn es wieder eine Abfuhr gab, er wieder missachtet wurde, nur um das Gefühl schnell abzuschütteln und weiterzumachen, vielleicht eine Spur härter, weil enttäuschter als zuvor, niemand konnte das besser spielen – und jeder fand sich ein wenig darin wieder. Komik entsteht eben immer aus Tragik – und dieser Prozess war hier binnen Sekunden in Tylers Mimik erkennbar.