Der Staat darf die Autobauer nicht länger pampern
Süddeutsche Zeitung
Die Industrie baut weniger Wagen als je zuvor und macht trotzdem große Gewinne - vor allem dank Modellen, die alles andere als nachhaltig sind. Das muss aufhören.
Bei einem virtuellen Gespräch wurde Mercedes-Chef Ola Källenius kürzlich gefragt, ob es ihn nicht wurme, dass die Konkurrenz von BMW bei den Verkaufszahlen die Stuttgarter wieder überholt hat. Doch anstatt sich zu grämen, sich zu rechtfertigen und zur großen Aufholjagd zu blasen, passierte Unerwartetes. Källenius schmunzelte nur und sagte dann: Nein, alles nicht so schlimm, auf die Verkaufszahlen komme es nicht mehr ausschließlich an. Wann gab es das schon mal in der Autoindustrie - ein Konzernchef, den es nicht groß zu jucken scheint, wie viel seine Firma gerade verkauft beziehungsweise dass andere mehr verkaufen?
Man könnte das als positives Signal werten: Sind die großen Autokonzerne also wirklich abgekommen von der Idee, die Welt brauche immer noch mehr Autos? Ist das etwa der lang ersehnte Schritt weg von immer größer, schneller, weiter? Oder ist es die Erkenntnis, dass Verkehrswende nicht bedeutet, einfach den Verbrennungsmotor durch einen Elektroantrieb zu ersetzen? Das alles wäre zu schön. Doch die Wahrheit lautet: Die Autobauer verdienen gerade kräftig daran, dass der deutsche Steuerzahler sie durch Subventionen für kleinere und mittlere Elektroautos pampert, sie aber nutzen die raren Chips vor allem für den Verkauf ihrer großen Luxuskarossen. Die sind zwar lange nicht so nachhaltig, aber dafür versprechen sie hohe Gewinnmargen.
Man verkauft also lieber weniger Autos, dafür aber besonders teure, die eben meist auch besonders viele Ressourcen verschlingen. Im Sinne des Unternehmenserfolgs ist das durchaus nachvollziehbar. Doch dort, wo es für den Klimaschutz besonders nötig wäre, möglichst schnell und möglichst viele Elektroautos auf die Straße zu bringen - nämlich im Mittel- und Kleinwagensegment - da lässt man sich mit der Entwicklung besonders viel Zeit und nimmt derweil den Steuerzahler in die Pflicht, die schlechteren Margen durch Subventionen auszugleichen. Das trifft nicht nur auf Premiumhersteller wie Mercedes oder BMW zu. Auch bei Tesla oder VW werden kleine, erschwingliche Elektrowagen zwar immer wieder versprochen, doch noch sind nur sehr wenige davon verfügbar. Zwar kündigten die Wolfsburger an, den kleinen E-Flitzer E-up in limitierter Stückzahl doch noch einmal zu bauen, aber das reicht eben nicht.
Würden es die Autokonzerne ernst meinen mit dem schnellen Umstieg in eine ökologischere Mobilität, dann müssten jetzt alle verfügbaren Kapazitäten, die durch den Chipmangel unbestritten limitiert sind, eben nicht in erster Linie in große, schwere Wagen gehen. Sondern in kleinere Elektroautos, doch auf die muss man zum Teil mehr als ein Jahr warten, wie es jüngst etwa für die Basisversion des VW ID3 berichtet wurde.
Zudem werden auch immer noch bis mindestens Ende des Jahres unsinnigerweise Plug-in-Hybride mit Kaufprämien und Steuervorteilen als Dienstwagen bedacht - auch das ein Geschenk, das vor allem den deutschen Herstellern zugute kommt, weil diese Modelle besonders gerne als Firmenfahrzeug genutzt werden. Und das, obwohl längst klar ist, dass sie oft überhaupt nicht nachhaltig sind, so lange keiner kontrolliert, ob sie im Elektrobetrieb genutzt werden.