Der Prior von Taizé: "Schwer zu ertragen, so hilflos zu sein"
DW
Die ökumenische Bruderschaft von Taizé empfängt jährlich tausende Jugendliche aus der Ukraine und aus Russland. Prior Frère Alois erzählt im DW-Interview wie Beten in diesen Zeiten hilft.
Die Bruderschaft von Taizé in Ostfrankreich hat viele Beziehungen in die Ukraine und nach Russland. Im Interview mit der Deutschen Welle schildert Frère Alois, der Prior von Taizé, den Umgang mit dem Konflikt. "Die vielen Verbindungen zwischen beiden Völkern machen diesen Krieg noch schrecklicher", sagt er.
Deutsche Welle: Frère Alois, die Gemeinschaft von Taizé hat seit vielen Jahren intensive Kontakte nach Osteuropa, gerade auch in die Ukraine. Vor der Corona-Pandemie kamen Jahr für Jahr tausende junge Christen aus dem Land zu Ihnen nach Burgund. Wie kommt Ihnen das vor, was da passiert?
Frere Alois: Die Ereignisse in der Ukraine sind für uns vor allem ein ungeheurer Schock. Obwohl der Konflikt schon seit Jahren schwelt, hätten wir uns einen so grausamen Krieg niemals vorstellen können. Seit dem Angriff auf die Ukraine beten wir Brüder zusammen mit den Jugendlichen in Taizé für den Frieden. Es stimmt, dass viele Jugendliche aus der Ukraine in den letzten Jahren nach Taizé und zu den Europäischen Treffen gekommen sind. Wir halten Kontakt mit ihnen, wie auch mit den Menschen in Russland, die uns schreiben und von ihrem Leid berichten.
Vor einigen Jahren waren Sie selbst in Belarus, Russland, der Ukraine. Gibt es eine Schlüsselszene, die Ihnen in Erinnerung bleibt?
Im Jahr 2015 waren wir für das orthodoxe Osterfest in Moskau und haben von dort aus einen Pilgerweg nach Minsk in Belarus, und von dort nach Kiew und Lwiw in der Ukraine unternommen. Schon damals herrschten in diesen Ländern starke Spannungen. Unter den 200 jungen Pilgern kamen auch einige Russen mit uns in die Ukraine. In Kiew besuchten wir im dortigen Militärkrankenhaus verwundete Soldaten aus dem Donbas. Eine junge Russin war auch dabei. Sie wusste zunächst nicht, was sie diesen schwerverletzten Soldaten sagen sollte. Doch dann erzählte sie von ihren Besuchen als Kind bei ihrer Familie in der Ukraine. Daraufhin sagte ein ukrainischer Soldat, dass seine Frau Russin sei, und andere sprachen von ihren Verwandten auf beiden Seiten der Grenze. Diese vielen Verbindungen zwischen beiden Völkern machen diesen Krieg noch schrecklicher.