Der Kanzler und seine Prätorianer
Süddeutsche Zeitung
Die Regierung von Sebastian Kurz ist wohl bald Geschichte. Zu schwer wiegen die Vorwürfe gegen ihn und seinen engsten Kreis: Untreue und Bestechung. Ein österreichisches Sittenbild.
Vieles war anders diesmal: der triste Regen, die nervöse Stimmung, die dunkle Straße. Aber vor allem fehlte ein Lied. Als die Regierung aus ÖVP und FPÖ 2019 am Ibiza-Video zerbrach, strömten Tausende vor die Hofburg in der Innenstadt, sie jubelten und tanzten. Es war Partystimmung in Wien an jenem warmen Maiabend, eine Eruption der Erleichterung darüber, dass diese peinliche Truppe endlich nicht mehr das Land mitregiert: Gröpfaz Herbert Kickl, größter Pferdefan aller Zeiten und FPÖ-Innenminister mit seiner Pferdestaffel, die vielen Typen aus schlagenden Verbindungen mit ihren Schmissen und ihren Nazi-Liederbüchern, die plötzlich in den Ministerien gehockt hatten, vor allem aber der prollige Vizekanzler Heinz-Christian Strache mit seinen Sprüchen und seinen Goldkettchen. Sie alle hatte sich der junge Superstar-Kanzler Sebastian Kurz 2017 nach seinem furiosen Wahlsieg in die Regierung geholt. Aber nach Bekanntwerden des Ibiza-Skandals mochte er nicht mehr; "genug ist genug", sagte er. Und weil es so schön passte, spielten die Demonstranten damals den ganzen Abend einen Song der Venga Boys: "We're going to Ibiza".