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Der Feind von gestern ist der Partner von morgen
Frankfurter Rundschau
Die USA nähern sich im Ukraine-Krieg Venezuela an. Das irritiert Washingtons Verbündete in der Region
Wer sehen möchte, wie sehr der Ukraine-Krieg die Weltordnung auch fern von Europa durcheinanderwirbelt, muss nur nach Lateinamerika schauen. In Venezuela geraten gerade über viele Jahre geltende Wahrheiten und Feindbilder ins Wanken. Die US-Regierung verhandelt plötzlich mit dem Regime von Nicolás Maduro, man lobt die „respektvolle Atmosphäre“ und „Herzlichkeit“. Venezuela setzt zwei inhaftierte US-Bürger auf freien Fuß und Washington – so viel gilt schon als sicher – stellt in Aussicht, die Sanktionen zu lockern, falls die Linksnationalisten in Caracas bereit sind, Öl direkt in die Vereinigten Staaten zu liefern.
Was im Kontext des globalen Wahnsinns vielleicht nur eine Randnotiz ist, hat mit der Lage in Lateinamerika Vertraute verwundert und Länder wie Kuba und Kolumbien aufgeschreckt. Ganz zu schweigen von der venezolanischen Opposition, die sich bisher als einzige Ansprechpartnerin Washingtons wähnte. Die Leute um Gegen-Präsident Juan Guaidó waren darob so fassungslos, dass sie zunächst erst mal nur schwiegen, während eine hochrangige US-Delegation am vergangenen Wochenende Caracas besuchte.
Immerhin hatten sich die Regierungen beider Länder beinahe zehn Jahre lang mit allen möglichen Gemeinheiten überzogen, diplomatischen wie undiplomatischen: Drohungen, Sanktionen, Boykotte, Festnahmen von jeweiligen Staatsangehörigen. Seit 2019 steht Maduros Regime ganz oben auf der US-Sanktionsliste. Niemand darf venezolanisches Öl kaufen oder mit dem Land Handel treiben, ohne Strafen Washingtons zu riskieren.
Zwei Wahrheiten haben sich daraus in den vergangenen Jahren abgeleitet: Die Sanktionen sind mitverantwortlich für die Zerstörung der Wirtschaft in dem einst reichen Venezuela und für das Leiden der Bevölkerung. Maduro musste neue Verbündete finden. Sein Blick ging nach Teheran, nach Peking und natürlich auch nach Moskau.
Aber Washington denkt angesichts der Invasion der Ukraine und ihrer geopolitischen Verwerfungen streng strategisch – und also auch opportunistisch, in Politik wie Wirtschaft. Zum einen geht es den USA darum, die russischen Ölimporte zu ersetzen. Von den 500 000 Fass, die Washington in Moskau täglich kaufte, sollen möglicherweise wieder ein paar Hunderttausend aus Venezuela kommen. Der kolumbianische Bergbau- und Energieminister Diego Mesa kommentierte das sarkastisch: „Wenn Sie gerade das Öl des sogenannten russischen Diktators verboten haben, ist es schwer zu erklären, warum sie Öl vom venezolanischen Diktator kaufen wollen.“