Der ehrlichste Biathlet der Welt
n-tv
Die Konkurrenz fällt vor ihm auf die Knie, der König gratuliert, die Teamkollegen feiern ihr "Phänomen": Erik Lesser dreht auf der allerletzten Weltcup-Station seiner Karriere noch einmal richtig auf. Er tritt ab, wie es zu ihm passt: gut sichtbar und mit herrlichen Sprüchen auf den Lippen.
Der allerletzte Schuss trifft ins Schwarze, Erik Lesser greift ein letztes Mal nach dem Stehendschießen seine Stöcke und springt von der Schießstandmatte. Die Fans auf der vollbesetzten Tribüne in Oslo machen kräftig Lärm, doch der Deutsche will noch mehr. Beim Rauslaufen aus dem Stadion pusht er die Zuschauer, feuert sie mit rudernden Armen an. Als Dritter geht er auf die letzte Runde in seinem finalen Biathlon-Rennen. Das Adrenalin, die Euphorie, sie sind voll da.
Auch bei seinen Freunden und (Ex-)Teamkollegen Arnd Peiffer und Benedikt Doll. Der eine ist extra nach Norwegen gereist, um dabei zu sein, wenn sein Freund und Podcast-Kollege seinen Abschied gibt, der andere hat eine Erkältung und fühlte sich nicht fit genug für den letzten Wettkampf der Saison. Beide stehen sie gemeinsam am Streckenrand, bibbernd, Haare raufend, angespannt aufs Handy starrend, eingefangen von den Kameras. Am Ende vermiest ihm Emilien Jacquelin ein wenig den Ausstand, überholt am letzten Anstieg, Lesser wird Vierter. "Dass ich am Ende ums Podest kämpfe, hätte ich mir nicht erträumen lassen", ist der 33-Jährige trotzdem glücklich und fährt mit einer Verbeugung über die Ziellinie.
Direkt dahinter wartet das deutsche Team mit einem Plakat auf ihn - "Vielen Dank und alles Gute, Erik". Alle umarmen ihn, jeder Konkurrent, auch Peiffer hält ihn ganz fest, genauso wie seine Freundin Nadine sowie die dreijährige Tochter Anouk, die ebenfalls nach Oslo gereist sind. Sie haben am Vortag schon miterleben dürfen, wie ihr Erik sein Finale fast schon zu kitschig werden lässt: Sieg im Verfolgungsrennen, der dritte Weltcuperfolg seiner Karriere. Die Ehre: Audienz bei König Harald V. in der Loge. "Er hat mir gratuliert und gesagt, dass er ein Riesenfan von mir ist", erklärt Lesser anschließend lachend im ZDF und wiegelt gleich ab. "Nee, der klassische Smalltalk."