Der China-Schock: Ende einer profitablen Partnerschaft?
DW
China unterdrückt die Uiguren, unterstützt Russland im Ukraine-Krieg. Jetzt will Berlin seine Beziehungen zu Peking neu justieren. Problem: Der Systemrivale ist der wichtigste Wirtschaftspartner.
Es sind schockierende Dokumente aus Chinas äußerstem Nordwesten, aus der Uiguren-Provinz Xinjiang: Fotos zeigen schwer bewachte Internierungslager, Folterstühle, Wärter mit Knüppeln, gedemütigte Gefangene; Protokolle von Anweisungen hoher Parteifunktionäre, die Wachen auffordern, auf Flüchtende zu schießen. Flüchtende, die nach Pekinger Lesart Schüler in Berufsbildungszentren sein sollen und keine Gefangenen.
Die nach Untersuchungen eines internationalen Rechercheteams authentischen "Xinjiang Police Files" belegen, mit welcher Brutalität die überwiegend muslimische Minderheit der Uiguren in China unterdrückt wird. Ihre Veröffentlichung fällt in eine Zeit, in der viel von einer werteorientierten Außenpolitik die Rede ist. Und tatsächlich haben die geleakten Dokumente dem Umdenken in der deutschen Politik in Bezug auf China weiteren Schub verliehen. Nach der Energiepartnerschaft mit Russland wird mit den Beziehungen zu China jetzt eine zweite tragende Säule des deutschen Wirtschaftsmodells der letzten Jahrzehnte in Frage gestellt - quer durch fast alle politischen Lager.
Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg, forderte eine andere China-Politik. Nötig sei eine offene Debatte über die wirtschaftlichen Abhängigkeiten von Staaten, die eine solch erschreckende Menschrechtsbilanz aufweisen, sagte die Grünen-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der CDU-Politiker Michael Brand, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Menschenrechte und humanitäre Hilfe im Bundestag, verlangte im Deutschlandfunk, so wie man sich unabhängiger von russischer Energie mache, müsse man sich auch unabhängiger von wirtschaftlichen Beziehungen zu China machen.
Auf Regierungsseite zeigte sich Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos besorgt über den wachsenden Machtanspruch Chinas. Natürlich sei die Volksrepublik ein "globaler Akteur", sagte der Kanzler. Aber genauso wenig wie daraus die Notwendigkeit folge, China zu isolieren, "lässt sich daraus der Anspruch chinesischer Hegemonie in Asien und darüber hinaus ableiten. Genauso wenig können wir wegsehen, wenn Menschenrechte verletzt werden, wie wir das gerade in Xinjiang sehen.", sagte Scholz.
Am Mittwoch hatte Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck für eine größere Distanz zu China plädiert. Die Volksrepublik sei zwar ein großer Handelspartner, sagte Habeck, es gebe aber "sehr relevante Probleme", auch bei der Einhaltung von Menschenrechten. "Das wurde jahrelang ausgeblendet. Diese Regierung hat den Umgang mit den China-Fragen aber verändert", betonte der Grünen-Politiker. "Wir diversifizieren uns stärker und verringern unsere Abhängigkeiten auch von China. Die Wahrung der Menschenrechte hat ein höheres Gewicht", kündigte der Wirtschaftsminister an.