
Das Versagen des Thomas Bach
Frankfurter Rundschau
Der deutsche IOC-Präsident ist am vorläufigen Tiefpunkt seiner Unterwürfigkeit gegenüber China angelangt.
Der nächste Ort für das große Schauspiel war ein Pekinger Hotel. Dort traf sich IOC-Präsident Thomas Bach mit der chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai. Die ganze Welt wünscht sich seit Monaten Aufklärung, wie es Peng Shuai geht. Doch statt drängende Fragen zu stellen, gab es nur auf eine nette Plauderei.
Auch das „Interview“ Pengs mit der französischen Sportzeitung „L’Equipe“ brachte kein Licht ins Dunkel. Der Stabschef des chinesischen Nationalen Olympischen Komitees war anwesend und übersetzte Pengs Antworten auf die vorher eingereichten Fragen. Anfang November hatte die Sportlerin einen chinesischen Spitzenpolitiker des sexuellen Missbrauchs beschuldigt. Anschließend verschwand sie wochenlang, die Welt sorgte sich mit dem Hashtag „Wo ist Peng Shuai“? Peng tauchte wieder auf, sagte auf Videos, es sei alles nur ein Missverständnis gewesen. Das wiederholte sie im Interview mit der „L’Equipe“: „Meine Liebesprobleme, meine Privatprobleme dürfen nicht mit Sport und Politik vermischt werden.“ Partei-Rhetorik. Missbrauchsvorwürfe mit „Liebesproblemen“ gleichzusetzen, ist schon besonders abstoßend. Aber laut China bildet man die Uiguren in den Lagern ja auch nur fort und foltert sie nicht.
Und das IOC? Bach habe sich nett mit Peng ausgetauscht, verkündete ein IOC-Sprecher. Aber was ist mit den wirklich wichtigen Fragen: Gab es einen sexuellen Übergriff? Ist Peng wirklich in Sicherheit? Wie frei kann sie sprechen?
Sämtliches Verantwortungsbewusstsein und der Wille zur kritischen Beleuchtung des Falls fehlt beim IOC. Der Verband hilft China aktiv dabei, Menschenrechtsverletzungen zu verschleiern, zu verharmlosen und sogar zu leugnen. Es ist nur schwer zu begreifen: Nur wenige Momente vor dem Milliardenprojekt Olympia verschwindet eine Sportlerin in China, und das IOC verschließt bis heute beide Augen und lässt alles durchgehen. Bach macht sich weiter zur Marionette der chinesischen Staatspropaganda. Rückgrat vermisst man bei dem Funktionär schon länger. Aber nun scheint Bach den Tiefpunkt seiner Unterwürfigkeit gegenüber China erreicht zu haben.