Das Merz-Bashing ist zu viel des Schlechten
n-tv
Der CDU-Vorsitzende ist wegen seiner Arroganz und seiner strategischen Fehler kein guter Parteichef. Aber ihn sogar in den eigenen Reihen zu demontieren, kann nach drögen Merkel-Jahren nicht die Lösung sein. Die AfD würde von einem Merz-Sturz profitieren.
Seit Jahren ist bekannt, dass die strategischen Fähigkeiten von Friedrich Merz begrenzt sind. Regelmäßig dokumentiert er öffentlich seine Defizite an Wissen über den Zusammenhang von Ursache und Wirkung. Immer wieder tut er Dinge, die man als ambitionierter Politiker zwingend lassen sollte, etwa mit dem Privat-Jet nach Sylt zu fliegen. Oder er spricht Sätze aus, die man als ein Parteivorsitzender so besser nicht sagen sollte, weil sie missinterpretiert werden und von der politischen Konkurrenz ausgeschlachtet werden (können), egal wie sie konkret gemeint sind.
Jüngstes Beispiel sind die Äußerungen über das Miteinander demokratischer Parteien mit der AfD in den Kommunen. Was der CDU-Chef sagte, war - genau genommen - nichts weiter als die Beschreibung der Realität und mitnichten das nächste Riesenloch in der Brandmauer zur Abwehr der Alternative für Deutschland. Die Direktwahl eines Bürgermeisters oder Landrats kann nicht aberkannt werden, wenn den Verlierern der Gewinner nicht passt. Jedwede Verweigerung einer Kooperation würde zu Chaos und Stillstand führen. Doch wer nimmt es heute im politischen Zirkus noch genau?
Allerdings: So, wie es Merz formulierte, konnten die Gedanken sehr wohl als Öffnung zur AfD interpretiert werden. Die Aussagen waren schlicht und einfach überflüssig, um nicht zu sagen: blöd. Also folgte das Empörungsritual. CDU-Konkurrenten sahen dabei selbstredend großzügig über "Fehlverhalten" in den eigenen Reihen hinweg. Wo blieb der Aufschrei von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, als die Sozialdemokraten in Hildburghausen mit der in Thüringen laut Verfassungsschutz "gesichert rechtsextremistischen" AfD den Weg zur Abwahl des Bürgermeisters frei machten, den die Linke stellte? Warum schimpfte die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang nicht, als im baden-württembergischen Backnang die CDU-, SPD- und Grünen-Stadträte einen AfD-Antrag zum Erfolg verhalfen, der mehr Geld für das kommunale Theater zum Ziel hatte? Das nennt man zweierlei Maß oder auch: Verlogenheit.